Multiple Sklerose mit 30 - "Das Unbekannte macht den Brainfuck aus"
Veröffentlicht am 05.06.2018 • Von Giovanni Mària
Patrick Arendt fuhr gerade Fahrrad, als er plötzlich doppelt sah - das erste Anzeichen seiner Multiplen Sklerose. Trotz MS lässt sich der 30-Jährige nicht unterkriegen und hat einen einzigartigen Weg gefunden, mit der Krankheit umzugehen.
In mehr als sieben Metern Höhe und mit dem Rücken zum Wasser macht sich Patrick bereit. Nur seine Fußballen berühren noch den Beton des Sprungturms in der Kölner Sporthochschule. Der 30-Jährige hebt die Arme. Manchmal blockiert in diesem Moment etwas in Patricks Kopf: Was wäre wenn? Durch seine Krankheitsind solche Momente häufiger geworden. Heute springt Patrick dennoch, macht einen Rückwärtssalto und taucht Sekunden später unter - trotz seiner Multiplen Sklerose.
Vor knapp zwei Jahren bekam Patrick Arendt, Hobby-Wasserspringer aus Düsseldorf, die Diagnose. Er fuhr gerade Rad, als plötzlich Nummernschilder und Straßennamen auf seinem rechten Auge verschwammen. Nach mehreren Arztbesuchen und Untersuchungen kam dann der Schlag ins Gesicht: "Fuck, MS", dachte Patrick. "Habe ich jetzt die Doppelsichtigkeit-Augen-Scheiße für den Rest meines Lebens?"
Patricks erster sogenannter Schub wurde mit Cortison behandelt und dauerte drei Monate. Solche neurologischen Ausfälle sind typisch für Multiple Sklerose, eine nicht heilbare chronisch entzündliche Erkrankung, bei der das Immunsystem fälschlicherweise das Zentrale Nervensystem angreift. In Deutschland leben laut einer aktuellen Studie immer mehr gesetzlich Versicherte mit der Diagnose. Ihr Anteil an der Untersuchungsgruppe wuchs innerhalb von sechs Jahren von rund 0,25 Prozent (2009) auf knapp 0,32 Prozent (2015).
"Studien aus anderen westlichen Ländern haben gezeigt, dass die Lebenserwartung von MS-Patienten zugenommen hat und wir gehen davon aus, dass das auch in Deutschland der Fall ist", begründet einer der Autoren, Jakob Holstiege vom Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung, einen Teil der Zunahme.
Zudem erkrankten heute in unseren Breitengraden tatsächlich mehr Menschen neu an MS. Die genauen Gründe kennen Wissenschaftler nicht. "Über die Erkrankungsursachen der MS weiß man manches, aber man hat kein vollständiges Bild davon", sagt Holstiege. Die Krankheit gilt als genetisch beeinflusst, soll aber auch mit Umweltfaktoren wie Rauchen, Vitamin-D-Mangel oder Übergewicht in der Jugend zusammenhängen.
"Spring nicht, sonst landest du auf der Fresse"
Patricks zweiter und bisher letzter Schub kam im November 2016: ein anfangs sehr starkes und bis heute andauerndes Kribbeln im linken Arm und Bein. Im Training habe es einmal so doll gekribbelt, dass er unsicher wurde: "Irgendwas hat mir gesagt, spring nicht, sonst landest du auf der Fresse." Aber Patrick arbeitet daran. "Ich gehe es im Kopf durch", sagt er. "Meine Leidenschaft lasse ich mir nicht durch meine Krankheit kaputt machen."
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