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Was ist eine genetische Krankheit?

Veröffentlicht am 05.12.2020 • Von Doriany Samair

Bis heute wurden weltweit mehr als 8.000 genetische Krankheiten identifiziert. In Deutschland gibt es etwa 4 Millionen Menschen mit genetisch bedingten Krankheiten. Hierzu sollten Sie wissen, dass diese genetischen Krankheiten größtenteils selten und oft kaum bekannt sind. Ihnen gemeinsam ist eine Anomalie des Genoms (Gesamtheit der Gene) und, dass sie im Gegensatz zu einigen anderen Krankheiten nicht ansteckend sind.

Was ist eine genetische Krankheit? Was ist eine Erbkrankheit? Wie werden sie übertragen? Wie werden sie diagnostiziert?
Was sind die Auswüchse von Gentests? Wir sagen Ihnen alles in unserem Artikel!


Was ist eine genetische Krankheit?

Was ist eine genetische Krankheit?

Eine genetische Krankheit ist eine durch das Vorhandensein einer Anomalie eines Gens (oder der DNA) oder eines Chromosoms des Patienten verursachte Erkrankung.

Die DNA (Desoxyribonukleinsäure), biologischer Identitätsträger des Individuums, ist identisch in allen Zellen unseres Körpers (mit Ausnahme der roten Blutkörperchen). Es handelt sich um ein Molekül, das das Erbgut einer Person enthält. Es erscheint in Form von Strängen, die in eine Doppelhelix gewickelt und zu Chromosomen verdichtet sind. Das menschliche Genom ist in 46 Chromosomen unterteilt (22 Chromosomenpaare, die als „Autosomen“ bezeichnet werden und ein Paar an Geschlechtschromosomen, „X und Y“). Eine DNA-Sequenz entspricht einem Gen, das eine spezifische Stelle auf einem Chromosom hat und ein spezifisches Charakteristikum bedeutet (wie die Augenfarbe oder die Haarfarbe, etc.).

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Figur 1: DNA

Quelle: "Comprendre les gènes" - CHU-Sainte-Justine

Man unterscheidet genetische Krankheiten:

  • Bedingt durch eine Chromosomenanomalie (Vorhandensein eines überschüssigen Chromosoms wie bei Trisomie 21, auch „Downsyndrom“ genannt, oder aufgrund des Fehlens eines Chromosoms innerhalb eines Paares wie bei Monosomie);
  • Bedingt durch einen DNA-Defekt (Mutation genannt) eines Gens oder von mehreren Genen. DNA-Mutationen können in einem Gen (monogene Erkrankung) oder in mehreren Genen (polygene Erkrankung) auftreten und zu Funktionsstörungen des Körpers führen.

Hierbei sollte angemerkt werden, dass eine Anomalie oder eine DNA-Mutation nicht immer zu einer genetischen Erkrankung führt. Diese Mutationen können auch unbemerkt bleiben und letztendlich zur genetischen Variabilität und Diversität beitragen.

Wie werden genetische Krankheiten übertragen?

Die Übertragung genetischer Krankheiten ist in Realität konditioniert. Eine genetische Krankheit wird per Definition in das Genom von Individuen geschrieben und auf die Nachkommen übertragen, aber nicht systematisch. In der Tat ist die Verteilung von genetischen Merkmalen bei der Befruchtung zufällig, sowie auch für jedes Chromosomenpaar: ein Chromosom stammt von der Mutter und das andere vom Vater. Es gibt zwei Formen der Vererbung von nichtsexuellen Chromosomen (Autosomen): autosomal rezessiv und dominant.

Die autosomal-rezessive Vererbung

In diesem Fall ist es möglich, das defekte Gen in sich zu tragen und die Krankheit dennoch nicht zu äußern: Eine einzige Kopie reicht noch nicht aus, um eine Krankheit zu entwickeln. Diese Menschen nennt man einen „gesunden“ Träger, die selbst nicht krank sind, aber eine Kopie des Gens an ihre Nachkommen weitergeben können. Man muss daher beide Kopien des Gens in sich tragen, um krank zu sein, d.h. eine Kopie von seinem Vater und eine von seiner Mutter erben.

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Figur 2: Die autosomal-rezessive Vererbung

Quelle: "Comprendre les gènes" - CHU-Sainte-Justine

Zum Beispiel sind Mukoviszidose, die Charcot-Marie-Tooth-Erkrankung und die Sichelzellenkrankheit genetische Krankheiten, die autosomal-rezessiv übertragen werden.

Die autosomal-dominante Vererbung

In diesem Fall bedeutet das Tragen des defekten Gens notwendigerweise, dass die Krankheit ausbricht: Eine einzige Kopie reicht aus, um die Krankheit zu entwickeln. Ein Individuum gilt als „betroffen“ und überträgt auch zwangsläufig eine Kopie des Gens an die Nachkommen. Dies bedeutet also, dass der Vater oder die Mutter erkrankt ist oder beide an derselben Krankheit leiden.

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Figur 3: Die autosomal-dominante Vererbung

Quelle: "Comprendre les gènes" - CHU-Sainte-Justine 

Zum Beispiel sind Achondroplasie (Form des Zwergwuchses), Polydaktylie (Vorhanden von zusätzlichen Zehen) oder die Huntington-Krankheit (fortschreitende Krankheit, die das Nervensystem angreift) genetische Krankheiten, die autosomal-dominant vererbt werden.

X-chromosomale Vererbung

Einige Krankheiten werden über die Geschlechtschromosomen übertragen, diese werden als X-chromosomale Krankheiten bezeichnet, die Männer betreffen.

Zur Erinnerung: Das männliche Geschlecht wird durch das Paar der Geschlechtschromosomen X/Y und das weibliche Geschlecht durch das Paar X/X charakterisiert. Infolgedessen kann eine Anomalie des X-Chromosoms beim Mann nicht korrigiert werden, da diese nur eines besitzen. Hierbei ist zu beachten, dass ein Vater diese Erkrankungen nicht auf seinen Sohn übertragen kann (denn er überträgt zwingend das Y-Chromosom). Frauen können jedoch gesunde Überträger sein, da die Kopie des sogenannten defekten rezessiven Gens durch die andere „gesunde“ Kopie auf dem X-Chromosom ausgeglichen werden kann.

Zum Beispiel sind Farbenblindheit, die Duchenne-Muskeldystrophie oder Hämophilie vererbte X-chromosomale Krankheiten.

Andere Szenarien

Einige genetisch bedingte Krankheiten werden durch eine „erworbene“ Mutation der DNA verursacht und wurden nicht durch Vererbung an den Erkrankten vererbt, sondern sind spontan aufgetreten. Dieser Typ von Mutationen, wenn sie die Geschlechtszellen betreffen, können an die Nachkommen weitergegeben werden, daher die Bedeutung einer familiären Kranheitsgeschichte, die die medizinische Diagnostik unterstützen können.

Wie werden genetische Krankheiten diagnostiziert?

Die Früherkennungsuntersuchungen nach der Geburt

Das Gesetz über genetische Untersuchungen bei Menschen von 2010 setzt den Rahmen für die Pränataldiagnostik (PND). Ein Paar kann eine Pränataldiagnostik (PND) durchführen lassen, wenn ein Kranksheitsbild in der Familie oder gewisse Risiken vorliegen.

Bei bestimmten genetischen Krankheiten findet die Früherkennung systematisch statt: Zum Beispiel wird auf Symptome von Trisomie 21 während des ersten Trimesters der Schwangerschaft geachtet. Dabei werden das Alter der werdenden Mutter, die Messung der Nackentransparenz des Fötus anhand eines Ultraschalls sowie einer spezifischen Hormondosierung berücksichtigt. Basierend auf den Untersuchungen kann eine PND durchgeführt werden oder auch nicht.

Zum Neugeborenen-Screening gehört ein Mukoviszidose-Test, um Hinweise darauf zu erlangen, ob ein Kind das mutierte Gen (CFTR, verantwortlich für die Krankheit) in sich trägt.

Sichelzellenerkrankungen wird in der Allgemeinbevölkerung nicht systematisch diagnostiziert, ihr Screening zielt auf bestimmte Bevölkerungsgruppen ab: Zum Beispiel in den französischen Überseegebieten oder bei Bevölkerungsgruppen, die aus Gebieten mit hoher Inzidenz stammen (Mittelmeerraum oder Afrika).

Screening und genetische Beratung

Die Entdeckung oder der Verdacht einer genetisch bedingten Krankheit in einer Familie ist Gegenstand einer sogenannten genetischen Beratung. Dies beinhaltet die Erstellung eines genealogischen Stammbaums durch medizinisches Fachpersonal, um die Risiken der Übertragung von Erbkrankheiten über Generationen hinweg einschätzen zu können. Dies dient aber ebenfalls dazu, um Familien über die Möglichkeiten der Diagnostik und Behandlungen von diesen genetischen Krankheiten zu beraten und anzuleiten.

Die genetische Beratung richtet sich vor allem an Personen mit erhöhtem Risiko. Normalerweise handelt es sich dabei um Paare, die mehr als eine Fehlgeburt hatten oder Eltern eines totgeborenen Kindes; oder um eine Person mit Symptomen, die auf eine genetisch bedingte Krankheit hinweisen; oder gar Familien mit Fällen bestimmter genetischer Erkrankungen wie Mukoviszidose, etc.

Einige Krebsarten sind ebenfalls mit genetischen Mutationen verbunden und ihre Existenz in der Familie ist ein nachweislicher Risikofaktor. Die veranlasst einige Patienten dazu, mehr über diese Mutation, die krebsanfälliger macht, erfahren zu wollen. Erwähnenswert ist Brustkrebs, bei dem die Mutation des BRCA-Gens eine Rolle spielt. Viele Patientinnen, die erfahren haben, dass sie Trägerinnen dieser Mutation sind, haben sich für eine vorbeugende Mastektomie entschieden, um dem Aufkommen des Krebses keine Möglichkeit zu lassen.

Welche sind die Ausartungen von genetischen Screenings?

Heutzutage ist es möglich, sein Genom von privaten Unternehmen schon für ein paar Hundert Euro analysieren zu lassen und so Zugang zu neuen Informationen zu erhalten: Man kann beispielsweise seine ethnischen Wurzeln nachverfolgen, mehr über seine genetische Veranlagung erfahren oder über unsere Fähigkeit Kaffee zu verstoffwechseln und Gerüche wahrzunehmen, etc.

Hier ist Vorsicht gefragt: Dieses Angebot mag verlockend klingen, ist aber in Deutschland verboten, wo die Genomanalyse auf diagnostische Zwecke beschränkt ist. In der Tat kann die Banalisierung solcher Tests in aller Augen zu Hypochondrie ausarten und unnötige Angst erzeugen. Dies gilt umso mehr, da hier das Problem des Dateneigentums auftaucht: Diese Informationen gehören sowohl früheren als auch zukünftigen Generationen. Viele Probleme treten auf, wie z.B. die Speicherung der Daten sowie der Zugriff Dritter darauf. Dies sind Themen, mit denen wir uns auch in Zukunft befassen müssen, um ein Gleichgewicht zwischen technologischem Fortschritt und Privatleben zu erreichen.

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1 Kommentar


biggi1964 • Botschafter-Mitglied
am 05.12.20

Sehr interessanter Bericht, Danke

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