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HIV: "Ich hatte nur noch 1 T-Helferzelle und eine Viruslast von 29 600"

Veröffentlicht am 25.09.2024 • Von Bianca Jung

lusttiger, Mitglied der deutschen Carenity-Community, leidet an HIV. Im letzten Jahr erhielt er nach einem Zusammenbruch die Diagnose. Seitdem hat sich jedoch viel verändert. Er erklärt im Gespräch mit uns, wie es ihm jetzt geht.

HIV:

Hallo lusttiger, Sie haben sich bereit erklärt, für eine Patientengeschichte mit Carenity zu sprechen, und dafür möchten wir Ihnen danken.

Könnten Sie uns zunächst etwas mehr über sich erzählen? 

Ich heiße Dieter und bin 56 Jahre alt, von Beruf bin ich Kfz-Mechaniker Meister und war bis zur Diagnose im Dezember 2023 selbstständig.

Meine Werkstatt habe ich im Zuge meiner Genesung aufgegeben, da ich den Stress nicht mehr verkrafte.

Mein Frau hat mir von der Diagnose an sehr viel Unterstützung und Halt gegeben, was sehr wichtig ist. Ein Partner, der trotzdem zu einem hält, ist mehr wert als Haus, Hof oder sonstige Reichtümer. Das wurde mir ab dem Tag der Offenbarung mehr als bewusst. Wir leben immer noch zusammen, klar es sind ein paar Dinge, die nicht mehr sind, aber damit kann ich sehr gut leben und danke jeden Tag meiner Frau.

Unter welchen Umständen haben Sie erfahren, dass Sie HIV-positiv sind? Wie haben Sie sich gefühlt, als Sie die Diagnose erhielten?

Die Umstände, wie ich meine Diagnose erhalten habe, sind eigentlich normal, aber doch komisch, denn ich hatte bis Anfang 2023 keinerlei Beschwerden: keine Symptome, kein Fieber usw. Im Februar bekam ich einen Mundsoor, den mir der Arzt mit einer Lösung behandelt hat, hier hatte ich erste Anzeichen der Infektion. Sie wurden vom Arzt nicht erkannt.

Im November musste ich zum Zahnarzt wegen Problemen mit meinem Zahnfleisch, hier hatte ich im Nachhinein gesehen das Vollbild AIDS mit einer weißen Zunge und Rachenraum, auch hier hat der Arzt nichts gesagt oder erwähnt. Aber bei der Anmeldung wurde ganz eindringlich gesagt, HIV-positive werden nicht behandelt.

Ich habe dann ganz normal weitergearbeitet, klar ist es mir schon etwas schwer gefallen, aber das Jahr war auch sehr heftig. Keine Gedanken gemacht, bis im Dezember 2023 mit einem Zusammenbruch mit Bewusstlosigkeit. Sofort ab ins KH, hier wurde mir gleich gesagt: Wir haben Verdacht auf HIV, was ich als Erstes gar nicht hören wollte. Am nächsten Tag weitere Untersuchungen: Röntgen, CT usw., Blutabnahme mit HIV-Test. Und ich war HIV-positiv.

Das war ein echter Schlag, zumal mir sofort tausend Sachen durch den Kopf gegangen sind: Wo und bei wem habe ich mich angesteckt. Ich habe sehr lange gebraucht, um mit der Diagnose klarzukommen. Was ging nicht wegen der Tabletten, der Gedanke - ich habe HIV bzw. ich hatte durch die ganzen Infektionen gleich das Vollbild AIDS, und man bekommt es nicht mehr los. Viele Gespräche usw. waren notwenig, bis ich es für mich akzeptiert habe.

Ich hatte nur noch 1 T-Helferzelle und eine Viruslast von 29 600.

Da es mir immer gut ging, konnte ich es nicht so verstehen, was mich immer noch belastet hat, zumal ich vom Krankenhaus keinerlei Unterstützung erhalten habe.

Ich hatte zu der HIV-Infektion noch Corona, also ein Einzelzimmer und das nötige Drumherum.

Wie war Ihr bisheriger Behandlungsverlauf? Konnten Sie problemlos alle Informationen erhalten, die Sie brauchten, um die Krankheit so gut wie möglich „in Schach zu halten“?

Mein Behandlungsverlauf hat von der Diagnose Dezember 2023 an erst im Februar angefangen, denn so lange habe ich wegen den opportunistischen Infektionen (Lungenentzündung, Blutarmut, Mundsoor, CMV usw.) dementsprechende Mittel benötigt, die eine Therapie nicht zugelassen haben, dass es ein Erfolg wird. Heute im August 2024 habe ich den Status: nicht mehr nachweisbar, bei stetigem Ansteigen der T-Helferzellen.

Welche Auswirkungen hatte oder hat die Krankheit auf Ihre Freundschafts-, Familien- und Liebesbeziehungen?  

Es war für mich sehr schlimm, meiner Frau zu beichten und zu erzählen, dass ich Sex mit einem Mann hatte und dieser mich mit dem HI-Virus angesteckt hatte. Trotz der Schwere der Diagnose haben wir einen Weg gefunden, uns wieder zu verständigen und weiterhin zusammenzuleben. Meine Frau hat mir in dieser Zeit sehr viel geholfen und mich unterstützt. Sonst weiß es niemand, auch nicht in meiner Familie, keiner. Ich sage da nichts, es geht niemanden was an.

Wie ist das Leben mit HIV im Jahr 2024?

Mich beeinflußt die HIV-Infektion eigentlich gar nicht. Ich nehme täglich meine Tablette gegen das Virus und kann einen ganz normalen Tag führen, ohne Probleme. Klar, man denkt schon ab und zu daran: Warum? Doch mir geht es gut und ich vertrage die Medikamente gut.

Wie werden Sie aktuell behandelt? Was denken Sie darüber?

Ich bin seit Februar 2024 in Therapie bei einem sehr guten Arzt, der das Fachgebiet HIV inne hat, fühle mich dort gut versorgt und aufgehoben. Er hat mich über HIV gründlich informiert und ich kann ihm alle Fragen stellen, die mir diesbezüglich einfallen.

Mussten Sie mehrere Behandlungen ausprobieren, bevor Sie die richtige für sich gefunden haben? Wenn ja, warum?

Ich hatte ein Medikament, auf das ich von Anfang sehr gut angesprochen habe. Dies musste ich nur wechseln wegen einer Unverträglichkeit eines Antibiotikums bezüglich des Mycobacterium avium. Somit habe ich wechseln müssen, was im Oktober wieder auf das alte Mittel gewechselt wird.

Wie sieht Ihre derzeitige medizinische Betreuung aus?

Die momentane Versorgung ist perfekt bei mir. Mein Hausarzt weiß um meine Infektion, sieht es total entspannt. Auch mein Arzt ist sehr entspannt, da meine Werte von Anfang an sehr gut sind.

Welche Pläne haben Sie für die Zukunft?

Da ich seit Dezember 2023 krank bin, ist meine Freude umso größer, dass ich wieder das Arbeiten anfangen darf als Angestellter.

Was würden Sie Carenity-Mitgliedern raten, die ebenfalls an HIV leiden?

Das Wichtigste ist: Positiv denken und nicht darüber grübeln, warum, wieso ausgerechnet ich. Wir leben noch und das ist das Wichtigste und Schönste. Und wenn man sich mit seinem Partner immer noch versteht, gibt es nichts Schöneres.

Ein letztes Wort?

Das letzte Wort ist immer das Schlimmste, finde ich. Das Wichtigste ist: nur Safer Sex, immer mit Gummi oder geeigneten Vorsichtsmaßnahmen. Denn man bekommt dieses Virus plötzlich, wenn man gar nicht daran denkt, und man bekommt es nicht mehr los. Man muss sein ganzes Leben damit auskommen, was einen sehr belasten kann. Das für mich Wichtigste ist, wenn man einen Partner hat, egal ob Mann oder Frau, ehrlich zu sein, alles zu sagen, wie und was zu dem Zeitpunkt passiert ist. Das hilft einem selbst sowie dem Partner.

Ein positiven Effekt hat es: Man ist bestens medizinisch versorgt.


Herzlichen Dank an lusttiger für seine Patientengeschichte!  
 
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Autor: Bianca Jung, Gesundheitsredakteurin

Bianca ist spezialisiert auf das Betreuen von Online-Patienten-Communities. Ihr besonderes Interesse gilt den Bereichen Psychologie, Frauengesundheit und Ernährung.

Bianca hat einen Bachelor in... >> Mehr erfahren

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