Mastozytose: Wie ein Patient die Symptome und Therapien einer seltenen Krankheit erlebt
Veröffentlicht am 03.04.2019 • Von Louise Bollecker
Yves, ein Mitglied von Carenity Frankreich, hat zugestimmt, uns seine Geschichte zu erzählen. Von einer seltenen Krankheit - der Mastozytose - betroffen, brauchte er viele Jahre, um eine Diagnose zu erhalten, nachdem er persönliche Recherchen und Logbücher ausgefüllt und den Ärzten gezeigt hatte.
Hallo Yves, wann haben Sie Ihre Krankheit entdeckt?
Es ist kompliziert.... Ich denke, ich war nie wirklich normal, aber den Höhepunkt erreichte ich 2010. Kurz zuvor hatte ich meine Mutter verloren, ich musste meinem Vater helfen, der gegenüber von mir wohnte. Ich habe ihm viel Zeit gewidmet und wenig Zeit für mich genommen, mit meiner zusätzlichen Arbeit. Ich habe oft Dinge gegessen, die schnell zubereitet wurden, Schinken, geschälte Garnelen, viel Schokolade.
Am 21. Juni 2010 fühlte ich mich bei der Arbeit sehr unwohl, meine Finger drehten sich um, was normalerweise unmöglich ist, meine Wangen fielen ein, meine Beine trugen mich nicht mehr, ich war halbtaub. Menschen in Panik standen um mich herum, aber mir war das nicht bewußt, ich dachte, ich würde sterben. Ich habe mich unzähligen Untersuchungen unterzogen, manche undenkbar, das versichere ich Ihnen. Bevor ich von dieser Krankheit betroffen wurde, war ich ein sehr keuscher Mensch, aber heute habe ich nicht mehr viel zu verbergen.
Was waren die Symptome?
Ich werde versuchen, so genau wie möglich zu sein, vom Kopf angefangen bis zu den Füßen, sonst vergesse ich noch etwas! Überproduktion von Hauttalg im Gesicht, Schwindel, extreme Müdigkeit, starke Reaktion auf Gerüche, Sonnenempfindlichkeit, Hyperakusis, Migränen, die sich nur in Dunkelheit und völliger Stille beruhigten, Schleimbildung (scheinbar ähnlich den Symptomen von Menschen, mit Mukoviszidose), Steifheit und Brennen in den Armen und Beinen, bis zur Fahrunfähigkeit, Magenschmerzen und Durchfall zu schneller oder zu langsamer Herzschlag, Husten, Juckreiz in der Nacht, Intimprobleme, Depressionen und Angstattacken, Selbstmordgedanken, Schweißausbrüche.
Sie waren der Hauptakteur Ihrer Diagnose, können Sie uns mehr darüber erzählen?
Mir war immer bewußt, daß mit mir etwas nicht stimmte, und alle sagten mir, daß es eine Nervenkrankheit sei, daß ich mich in meiner Haut nicht wohl fühlte, daß dies die Erklärung sei.... Bis zu meiner Krise im Jahr 2010 hatte ich nicht weiter recherchiert. Nachher jedoche wollte ich verstehen, was ich durchgemacht hatte. Ich hatte es schon einmal bei meiner Mutter gesehen und wusste, wohin es führt: nämlich auf den Friedhof.
Mein Hausarzt sagte mir, daß es nichts zu verstehen gäbe, daß es Spasmophilie sei. Mir wurde so oft gesagt, daß ich verrückt sei, bis ich es endlich glaubte und mich in eine psychiatrische Anstalt einweisen lies, um zu heilen. Leider brachte es mir nichts, aber ich habe viel über Menschen gelernt, es war eine Erfahrung für jemanden wie mich, der neugierig auf alles ist.
Ich habe alle möglichen Herz-, Darm- und anderen Untersuchungen gemacht, die man sich vorstellen kann, und wissen Sie was? Auf den Bildern ist nichts zu sehen. Ich machte sogar eine Psychotherapie, und eines Tages hatte ich es satt, ich kaufte ein Schulheft, auf das ich alles aufschrieb, von meinen Aktivitäten bis hin zum Wetter, wie der Mond war, meine Ernährung,usw. Nach zwei Wochen zeichnete sich ab, daß jedes Mal, wenn ich Schokolade aß, ein Anfall folgen konnte.
Es fühlte sich gut an zu wissen, daß ich doch nicht so verrückt war. Ich wartete noch etwas, und dann zeigte ich diese Ergebnisse meiner Hausärztin.
Sie empfahl mir einem Allergologen, der mir sofort beschrieb, was ich durchgemacht hatte. Er gab mir eine Liste von Dingen, die ich nicht mehr essen sollte. Er gab mir auch die Nummer eines Spezialisten (vielleicht der einzige in ganz Frankreich).
Wie hat sich Ihre Ernährung verändert?
Als ich nach Hause kam, wusste ich angesichts meiner Liste nicht mehr, was ich essen sollte. Tomaten, verboten. Spinat, verboten. Rindfleisch, in Maßen. Schweineleber, verboten. Fisch, verboten. Trockenwurst, verboten (ich war verrückt danach). Fermentierter Käse, fermentierte Getränke, fermentierte Lebensmittel, Thunfischkonserven, geräucherte Heringseier, nicht empfohlen. Schweinefleisch, Schokolade, Erdbeeren und Früchte waren potenziell tödlich. Es gab noch viele andere Dinge.... Ich musste auch mit dem Rauchen aufhören, was ich einige Monate später tat.
Zu Hause waren Maronen und Kartoffeln lange Zeit die Hauptbestandteile meiner Mahlzeiten, sie standen nicht auf der Liste.
Nach sechs Monaten hatten Sie endlich einen Termin mit dem Spezialisten.
Als er sich all meine Untersuchungen ansah, seufzte er, sagte mir, dass die Ärzte dumm seien, und gab mir dann eine Behandlung, die mein Hausarzt leicht verschreiben konnte. Bevor er ging, sagte er mir: "Keine Lebensmitteleinschränkungen, man muss von allem ein wenig in vernünftigen Mengen essen, außer Schokolade, Erdbeeren und Schweinefleisch in all seinen Formen".
Wie haben Sie sich nach der Diagnose gefühlt?
Zuerst war ich froh, eine Diagnose zu haben, aber dann, wegen der vielen Fehldiagnosen, zweifelte ich wieder und machte weitere Untersuchungen. Das, und meine Reaktionen auf Kontrastmittel (unter anderem), führten dazu, daß ich mir eingestehen musste, daß Mastozytose die Ursache all meiner Beschwerden war.
Was sind die Auswirkungen der Krankheit im Alltag?
Ich habe immer igendwo Schmerzen, aber das Schlimmste ist, wenn ich vor meinem Teller stehe: Ich stelle mir immer diese Frage: "Wie wird es sein, wenn ich das esse? "Das Vergnügen am Essen, das einzige, das ich noch hatte, weil ich nicht mehr rauche, keinen Sex mehr habe, seit fast zwanzig Jahren nicht getrunken habe und keine Drogen nehme (nun, abgesehen von meinen Medikamenten), auch dieses Vergnügen hatte man mir genommen.
Welche Behandlung haben Sie jetzt?
Ich nehme hohe Dosen von Antihistaminika, PPIs und Antipsychotika, letztere mehr aus Gewohnheit, ich habe unnötigerweise schon so viele geschluckt, daß es schwierig ist, aufzuhören.
Was ist das Schwierigste im Alltag?
Die Würde zu bewahren, denke ich, die Kraft zu haben zu duschen, gut auszusehen, wenn man von niemandem mehr etwas erwartet. Jemand, der das nicht kennt, kann sich nicht vorstellen, in welcher Hölle wir leben.
Welchen Rat würden Sie einem Verwandten eines Patienten mit einer seltenen Krankheit geben, um ihm zu helfen?
Ihm zu glauben, wenn er sagt, daß sich alle irren. Und anstatt zu denken, daß er psychisch krank ist, ihn zu drängen Untersuchungen zu machen, denn allein braucht man viel Willen dafür. Man brauchen Mut, immer mehr Mut, trotz der vielen Misserfolge muß man weitersuchen, bis man die Antwort weiß.
Vielen herzlichen Dank an Yves für seinen aufrichtigen Beitrag. Zögern Sie nicht, dies zu kommentieren, um Ihre Unterstützung zu geben und Ihre Fragen zu stellen!
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