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Genetische Daten: Wohin uns das Wissen treibt
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03.02.16 um 23:43
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Genetische Daten: Wohin uns das Wissen treibt
Je mehr wir über unsere Gene wissen, desto genauer können wir bei Krankheiten ins Erbgut eingreifen. Aber der Schutz der Daten muss uns mindestens genauso wichtig sein, meint die Medizinethikerin Eva Winkler.
Das erste menschliche Genom zu entziffern, hat über sieben Jahre gedauert. Heute ist das in wenigen Tagen möglich, bei privaten Anbietern sogar zu vertretbaren Kosten.
Die rasanten Fortschritte beim Sequenzieren sind Teil einer technologischen Revolution, die uns bahnbrechende Erkenntnisse beschert. Sie stellt uns aber auch vor neue Herausforderungen, bei denen es vor allem um den verantwortungsvollen Umgang mit Genomdaten geht - und um deren Schutz.
In der Krebsforschung lassen sich die verschiedenen Konfliktpunkte gut erkennen: Wir verstehen heute sehr viel besser, welche genetischen Veränderungen eines Tumors einerseits sein Wachstum antreiben und ihn andererseits gegen Therapien resistent machen. Diese im Laufe des Lebens erworbenen genetischen Veränderungen sind die Zielstrukturen sogenannter personalisierter Therapien.
Ein Beispiel: Erkrankt ein Patient an einem Lungenkarzinom, kann das unterschiedliche Ursachen haben. Möglicherweise hat der Mann geraucht, was zu Mutationen in seinen Lungenzellen geführt hat. Vielleicht war er giftigen Stoffen am Arbeitsplatz ausgesetzt, vielleicht hat er aber auch ganz gesund gelebt. Als Onkologen gehen wir auf die Suche nach Genveränderungen in den bösartigen Zellen. Je nachdem, welche wir finden, stellen wir eine zielgerichtete Therapie mit Medikamenten zusammen. Die genetische Charakterisierung des Tumorgenoms wird daher künftig zur klinischen Routinediagnostik gehören.
Krankheit eines Menschen beeinflusst die Gesundheit der Familie
Die Gendiagnostik hilft uns darüber hinaus zu verstehen, welche ererbten Gendefekte das Risiko erhöhen, an Krebs oder anderen Krankheiten zu erkranken. Sie werden Keimbahnmutationen genannt und finden sich in allen Körperzellen. Allein ein Auftreten dieser Mutation bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass ein Mensch erkrankt, dafür sind eine Reihe verschiedener Faktoren verantwortlich.
Ein weiteres Beispiel: Erkrankt eine Frau an Eierstockkrebs, kann ihr unter Umständen die neue Substanz Olaparib helfen. Voraussetzung ist, dass bei ihr eines der sogenannten BRCA-Gene mutiert ist. Daher müssen Ärzte zuerst suchen, ob es eine solche Genveränderung gibt. Bei Dreiviertel der Patientinnen ist eine solche Mutation nicht erworben, sondern ererbt. Das bedeutet, dass es für Angehörige dieser Erkrankten ein mitunter deutlich erhöhtes Risiko gibt, ebenfalls eine BRCA-Mutation zu haben. Außerdem sind die veränderten BRCA-Gene nicht nur für Eierstockkrebs, sondern auch für Brustkrebs verantwortlich.
Eine berühmte Betroffene mit einer solchen Mutation ist Angelina Jolie. Die US-Schauspielerin hat sich deshalb prophylaktisch die Brüste amputieren und die Eierstöcke entfernen lassen. Die Antwort auf eine vergleichsweise einfache Therapiefrage für eine kranke Frau ("Ist die Arznei Olaparib für die Patientin geeignet?") impliziert also unter Umständen weitreichende Konsequenzen für ihre Familienmitglieder und deren Familienplanung.
Bevor Ärzte auf erbliche Krebserkrankungen testen, müssen sie laut Gendiagnostikgesetz vorher über die genetischen Risiken und die möglichen Konsequenzen aufklären. Je mehr therapeutische Ansätze für Patienten mit erblichen Keimbahnmutationen entdeckt werden, desto häufiger wird man in Zukunft im Rahmen der klinischen Routinediagnostik von Tumorgewebe auch auf erblich verursachte Krebssyndrome stoßen - eine große Herausforderung für das Gesundheitssystem, die Patienten und ihre Familien.
Zufällig einen Halbbruder gefunden
Die Wahrscheinlichkeit, auf gesundheitsrelevante Informationen zu genetischen Krankheitsveranlagungen zu stoßen, steigt jedoch nicht nur in der klinischen Versorgung, sondern insbesondere in der Genomforschung. Dort werden Sequenzdaten von großen Patientenkohorten gesammelt, die theoretisch alle genetischen Informationen über alle genetischen Veranlagungen umfassen, die jetzt oder in Zukunft als gesundheitsrelevant eingestuft werden.
Während Zufallsbefunde aus der Forschung allenfalls über den behandelnden Arzt an den Patienten mitgeteilt werden dürfen, werben kommerzielle Anbieter im Ausland mit einer Genanalyse für Privatpersonen. Mit teilweise weitreichenden Konsequenzen, wie dieGeschichte eines Stammzellbiologen aus den USA zeigt: Der Forscher hatte sein Genom von dem Biotech-Unternehmen 23andMe analysieren lassen, weil er das Verfahren mit seinen Studenten besprechen wollte. Die Firma schenkte ihm zwei zusätzliche Kits für seine Eltern, damit er noch detailliertere Informationen über die Vererbung von Krankheiten bekäme. Über ein Zusatzangebot von 23andMe, bei dem die Kunden ihr Genom mit dem anderer vergleichen können, fand der Wissenschaftler einen Mann, mit dem er 22 Prozent seines Genoms teilte - ungewöhnlich viel für einen Fremden.
Der Mann zog die Daten seiner Eltern zu Rate: Sein Vater hatte 50
Prozent Übereinstimmungen mit dem Unbekannten, seine Mutter keine. Damit stand für den Biologen fest: Der Unbekannte war verwandt mit ihm, er musste der Sohn seines Vaters sein und damit sein eigener Halbbruder. Als die Mutter von dem unehelichen Sohn erfuhr, entfachte sich ein riesiger Streit. Die Eltern ließen sich scheiden. "Unsere Familie ist zerrüttet", schreibt der Biologe.
Mehr Möglichkeiten, mehr Verantwortung
Das Wissen über mögliche Krankheiten wiederum kann sehr nützlich sein, wenn durch Lebensstilveränderung oder präventive Maßnahmen Krankheiten verhindert oder gelindert werden können. Aber es kann auch sehr belastend sein, wenn der Krankheitsverlauf (noch) nicht beeinflusst werden kann.
Eine angemessene Vermittlung und Interpretation genetischer Befunde ist zudem schwieriger, als sie klingt: nicht zuletzt, weil Ärzte im Rahmen einer Ganzgenomsequenzierung nicht im Vorhinein über alle möglichen Zusatzbefunde aufklären können. Denn zu diesem Zeitpunkt ist noch nicht klar, welche der vielen Tausend genetisch (mit-)bedingten Erkrankungen gefunden werden wird.
Grundsätzlich bergen die Genomdaten also ein enormes Erkenntnispotenzial für die Gesundheitsversorgung. Aber sie beinhalten auch sensible Daten über Einzelpersonen, die nach neuen Formen verlangt, wie wir verantwortlich mit diesem Wissen umgehen. Ein wichtiger Eckpunkt ist dabei der Datenschutz. Hier sind auch Gesunde und Patienten aufgefordert, mit ihren genetischen Informationen verantwortungsvoll umzugehen und sie nicht in frei zugängliche Datenbanken zu geben, wie sie etwa für die private Ahnenforschung verfügbar sind. Wer seine DNA analysieren lässt, muss zum Beispiel auch für seine Familie mitdenken, mit der er sein genetisches Material teilt.
Denn ein Mehr an Möglichkeiten geht auch mit einem Mehr an Verantwortung einher.
Gesehen auf: spiegel.de