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Hypochonder verstopfen Deutschlands Notaufnahmen
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... Und hier gehts weiter:
Rettungsstellen sind unterbesetzt
"Ich bin mir sicher", sagt Birgit Liehr, "dass unsere Mitarbeiter eine spezielle Qualifizierung für den Einsatz in Rettungsstellen benötigen." Liehr ist Pflegedienstleiterin auf dem Campus der Charité in Berlin-Steglitz und arbeitet seit mehr als 30 Jahren in Rettungsstellen. Sie hat die Weiterbildung mitentwickelt. Die Charité ist quasi in Vorleistung gegangen: An der Gesundheitsakademie der Universitätsklinik wird die Qualifizierung schon angeboten, der erste Zwei-Jahres-Kurs endet diesen September.
Dieses Angebot dürfte vom Berliner Senat bald als allgemein gültige Weiterbildung anerkannt werden. Für 2016 ist der nächste Kurs geplant. "Besonders Patienten mit unspezifischen Beschwerdebildern", sagt Liehr, "die sich nicht eindeutig einer Erkrankung und der entsprechenden Fachdisziplin zuordnen lassen, werden profitieren."
Da stören nur noch die üblichen, aber nach wie vor drängenden Sorgen in fast allen deutschen Krankenhäusern: Bessere Qualifizierungen kosten Zeit, Geld, Personal. Mehr als die Hälfte der deutschen Kliniken macht schon jetzt Verluste, viele Rettungsstellen sind unterbesetzt. DGINA-Experte Schöpke befürchtet, dass die Wartezeiten der Patienten und die Belastung des Personals erst einmal zunehmen werden.
"Bundesländer investieren zu wenig in Kliniken"
Die Bundesländer investieren zu wenig in ihre Kliniken und die Krankenkassen zahlen seit 2004 nur fixe Sätze für die Behandlungen. Für eine ambulante Versorgung in einer Notaufnahme erhalten die Kliniken im Schnitt 32 Euro – die tatsächlichen Kosten liegen aber bei 120 Euro. Denn mit jedem Wartenden spricht eine ausgebildete Fachkraft. Und auch wenn nach einem Wellensittich-Biss keine stationäre Behandlung erfolgt, muss das Klinikpersonal bezahlt werden.
Der Mann, der sich über die Wartenden beschwert hat, hat Glück. "Wir haben gerade einen Urologen da", sagt die Schwester. "Fünf Minuten Geduld." Der Urologe erkennt, dass die Gefäße zwar
geschwollen sind. "Der Hoden", sagt er "braucht einfach mal etwas etwas Ruhe." War das eigentlich ein echter Notfall?
Gesehen auf: welt.de
Gruß vom
Jonas
Abgemeldeter Nutzer
Hallo!
Sehr interessanter und v. a. deutlicher Artikel.
Ich ärgere mich auch immer, wenn Leute wegen jedem Mist am Wochenende in die Notaufnahme rennen oder diese als Allgemeinarztpraxis nutzen, weil sie unter der Woche keine Zeit hatten ihre Angina vom Hausarzt behandeln zu lassen...
Geht alles auf Kosten derer, die die Notaufnahme wirklich brauchen.
LG
Loreley
Abgemeldeter Nutzer
Hallo!
Vielleicht würde es helfen, wenn verstärkt Kampagnen geführt werden, die auf dieses Thema hinweisen?
Z. B. mit großen Plakaten vor Krankenhäusern, auf denen es heißt, dass der Schnupfen in die Hausarztpraxis gehört und nicht in die Notaufnahme?
Gruß
Verena
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Hallihallo!
... Und noch einer:
Hypochonder verstopfen Deutschlands Notaufnahmen
Rettungsstellen in Deutschlands Kliniken sind hoffnungslos überlaufen. "Zu uns kommen alle, auch Gelangweilte und Irre", sagt ein Arzt. Darunter leiden echte Notfälle und das Personal. Das soll sich ändern.
Grummeln, Stöhnen und Husten vermischen sich zu einem unerfreulichen Dauerton. In der Wartehalle in der Notaufnahme einer Berliner Klinik sitzen 19 Männer, Frauen und Kinder an diesem heißen Mittwoch um 21 Uhr in einer Reihe. Sie alle sind vor einem jungen Mann dran, der das nicht verstehen kann. "Die Hälfte von denen ist gar kein kein Notfall", murrt er. Sie würden nur das Warten für echte Akutfälle verlängern. Für Fälle wie ihn, er habe schließlich einen schmerzhaft geschwollenen Hoden.
Alle fünf Minuten fahren Rettungswagen vor, dazu kommen Patienten zu Fuß in die Notaufnahme. Manche humpeln, einer hält sich ein Tuch vor die blutende Nase. Erstaunlich viele aber wirken unversehrt, nicht einmal übel gelaunt. Um 22 Uhr warten bereits 31 Patienten.
Berlin ist überall. Im ganzen Land sind die Rettungsstellen überlaufen. In diesem Jahr werden wohl 22 Millionen Fälle in den fast 1200 Notaufnahmen des Landes untersucht. Mehr als die Hälfte der Patienten wird wie in den Vorjahren gar kein Notfall sein. Doch was ist ein echter Notfall? Erkennen Ärzte das immer? Und wie könnten die Rettungsstellen entlastet werden? Berlin hat sich jetzt etwas einfallen lassen, um die Situation zu entschärfen.
Angst vor Tollwut nach dem Biss vom Wellensittich
Eindeutig ist die Lage bei Nasenbrüchen oder hohem Fieber. An jenem Mittwoch warten in der Notaufnahme aber auch Eltern mit ihrem Sohn. Den habe der Wellensittich gebissen. "Tollwut?", fragen sie. Die Schwester schickt die Familie nach kurzem Gespräch nach Hause. Eine blasse Patientin glaubt, sie werde "ohnmächtig". Die Nachtschicht-Ärztin erfährt, dass die Frau Liebeskummer hat – und bittet sie, sich bei Bedarf an einen Therapeuten zu wenden: Ohnmacht drohe jedenfalls nicht. Dann keucht im Wartesaal ein Rentner. Er bekommt Mineralwasser. Es ist seit Tagen heiß, er hätte mehr trinken müssen.
Hausarztpraxen haben abends und am Wochenende zu. Termine bei Orthopäden oder Augenärzten bekommen Patienten in vielen Städten ohnehin erst nach vielen Wochen. Notaufnahmen aber haben immer geöffnet. "Wir sind die Lückenbüßer", beschwert sich ein Arzt einer niedersächsischen Rettungsstelle. "Zu uns kommen alle, auch Gelangweilte und Irre." Und dazwischen warten die Notfälle – oft Opfer von Unfällen, Schlägereien oder Überdosen.
Unterschied zwischen Hypochondern und Notfällen schwierig
Ein Problem ist, dass die schweren Fälle zwischen den vielen Lappalien übersehen werden können: Je mehr Patienten kommen, desto weniger Zeit bleibt für jeden einzelnen. Nur weil Bauchschmerzen bei jungen Frauen oft harmlos wirken, bedeutet das nicht, dass eine Patientin nicht an einer Eileiterschwangerschaft leidet. Einem Berliner haben vor ein paar Jahren in derselben Nacht sogar zwei Ärzte hintereinander erklärt, die Bauchschmerzen gingen von allein weg. Erst dem dritten Arzt wurde die Lage notgedrungen klar: Inzwischen war der Blinddarm des Mannes geplatzt.
Zwischen Hypochondern und tatsächlichen Notfällen zu unterscheiden, klappt nicht immer. "Auch ich habe mich schon geirrt", sagt der Rettungsstellenarzt aus Niedersachsen. "Und nicht immer wollen die besten Ärzte und Pfleger in der Notaufnahme arbeiten."
Das soll sich ändern. Als erstes Bundesland bietet Berlin für Rettungsstellen die Zusatzausbildung "Klinischer Notfall- und Akutmediziner" an: Die ersten zehn Ärzte haben sich kürzlich erfolgreich prüfen lassen. Auch für Schwestern und Pfleger gibt es eine entsprechende Qualifizierung, eine Notfall- und Akutpflegeweiterbildung. Schließlich haben sie in den Kliniken als Erste Kontakt zu den Patienten.
Behandlung in der Notaufnahme hängt vom Personal ab
Beide Programme dürften bald Nachahmer finden. An der Ausbildung zum Notfall- und Akutmediziner bestehe große Nachfrage aus anderen Städten, sagt Werner Wyrwich von der Ärztekammer Berlin. Inzwischen werde erkannt, dass die Rettungsstellen, wo es "um das rasche Erkennen zeitkritischer Notfälle gehe", eine bessere Qualifizierung erforderlich machten. Wahrscheinlich werde in ihrer Musterweiterbildungsordnung eine entsprechende Zusatzqualifikation nach Berliner Vorbild eingeführt, heißt es bei der Bundesärztekammer.
Notaufnahme-Leiter sind oft Internisten, Neurologen oder Chirurgen – und die haben auch interdisziplinär ausreichend viel Erfahrung. Doch ihre Mitarbeiter sind Ärzte, die von diversen Stationen abgezogen werden. Vielerorts werden auch Assistenzärzte ohne Facharztausbildung in die Rettungsstellen delegiert. Wer aber gerade erst Chirurg wird, dürfte öfter ans Aufschneiden denken als jemand, der aus der Nervenheilkunde kommt. Welche Behandlung ein Patient bekommt, hänge also auch davon ab, wer in einer Notaufnahme gerade im Dienst sei, sagt ein Berliner Rettungsstellenarzt, der selbst Internist ist.
Akutmediziner – ein Arzt mit vielen Blickwinkeln
Der Akutmediziner soll zum Spezialisten für den Überblick ausgebildet werden. Bei Bauchschmerzen soll er nicht zuerst an ein Magengeschwür denken, sondern auch an eine Blinddarmentzündung, Nierensteinabgang und Ovarialzyste. Er soll ein bisschen Internist, Chirurg und Frauenarzt zugleich sein.
Die Ärzte und Pflegekräfte der Deutschen Gesellschaft Interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin (DGINA) haben sich für die dreijährige Weiterbildung eingesetzt. Der neue Akutmediziner arbeite den anderen Fachrichtungen zu, sagt DGINA-Generalsekretär Timo Schöpke. Vor allem aber könne er bei Patienten mit mehreren Leiden entscheiden, welche Krankheit oder Verletzung zuerst versorgt werden muss. Diese Qualifikation hätten viele Fachärzte eben nur in ihrem eigenen Fachgebiet.
Schöpke, der das Notfallzentrum in Eberswalde leitet, fordert sogar eine eigene Facharztausbildung für Rettungsstellen, wie sie in vielen EU-Ländern üblich ist. Dies hieße, dass es neben Urologen, Onkologen oder Dermatologen eben auch explizite Notfall- und Akutmediziner gibt: Die Fachrichtung könnte in allen Branchengremien vertreten und von der Politik anerkannt sein.
Bessere Weiterbildung für den Alltag
Doch daraus wird vorerst nichts. Einige Politiker hätten diesen Facharzt zwar gerne eingeführt, aber weder Behörden noch Parlamente entscheiden in Deutschland über die Ärzteausbildung. Dafür sind die Landesärztekammern da, denen alle zugelassenen Mediziner des Bundeslandes angehören. Sie müssten sich auf den "Notfall- und Akutmediziner" einigen.
Anders ist die Lage bei Schwestern und Pflegern. Weil sie keine Kammer haben, wird ihre Ausbildung durch die Behörden geregelt. Anerkannte Weiterbildungen werden von den Landesregierungen genehmigt. Anders als Ärzte arbeiten Schwestern und Pfleger zwar grundsätzlich interdisziplinär – sie klären meist zuerst, welchem Arzt die Wartenden vorgestellt werden. In der Ausbildung aber lernen Pflegekräfte vor allem Krankheitsbilder: Welche Krankheit geht mit welchen Symptomen einher und erfordert welche Maßnahmen?
Im Alltag auf den Rettungsstellen denken Schwestern und Pfleger jedoch andersherum. Denn kaum jemand kommt mit einer klaren Diagnose, sondern mit einem Bündel diffuser Symptome. Bei Schwindel etwa müssen gibt es viele Möglichkeiten: Liegt eine Kopfverletzung, ein Nervenleiden oder eine Innenohrstörung vor? Die Weiterbildung soll besser auf den Alltag vorbereiten.