Forscher setzen Drogenpilze gegen Depressionen ein
Veröffentlicht am 18.05.2016 • Von Giovanni Mària
Forscher setzen Drogenpilze gegen Depressionen ein
In einer Pilotstudie haben Londoner Mediziner den Wirkstoff Psilocybin an Depressions-Patienten getestet.
Die Ergebnisse, vorgestellt im Fachmagazin Lancet Psychiatry, sind vielversprechend: Die Halluzinogene linderten die Depressionen von einigen der langjährigen Patienten.
Andere Forscher begrüßen den Versuch, warnen aber zugleich vor einer Verharmlosung halluzinogener Drogen.
Ganz geheuer war den Ärzten ihr Experiment wohl selbst nicht. Jedenfalls trafen sie jede Menge Sicherheitsvorkehrungen, bevor sie ihre Patienten dem Drogenrausch überließen. Ein Psychiater an jeder Seite des Krankenbetts, das Licht heruntergedimmt und ständiges Nachfragen, ob noch alles okay ist: So sicherten sich die Ärzte am Imperial College London ab, als sie ihre Patienten mit der Kraft der Zauberpilze in eine Welt voller Halluzinationen hinüberschubsten.
Das Ziel war nicht der Horrortrip im Krankenbett. Vielmehr sollte der Drogenrausch die Patienten von ihren Depressionen heilen. Und das, so schreiben die Ärzte im Fachblatt Lancet Psychiatry, gelang in beachtlichem Maße. Eine Woche nach der Behandlung hatten alle zwölf Patienten, die in der kleinen Pilotstudie den Wirkstoff Psilocybin aus Zauberpilzen bekamen, deutlich weniger depressive Symptome als zuvor; nach drei Monaten galt dies noch für jeden zweiten. Dabei waren die Patienten wahrlich keine leichten Fälle: Im Durchschnitt litten sie schon seit fast 20 Jahren an mittleren bis schweren Depressionen, alle bisherigen Behandlungsversuche hatten versagt. "Viele Teilnehmer hatten dank der Droge ein tiefes Erlebnis", betont Studienleiter Robin Carhart-Harris. Zwar hätten manche auch Angst bekommen, als die Halluzinationen begannen, und einer habe Wahnvorstellungen gehabt. Aber letztlich hätten die Pilze die Wahrnehmung der Patienten zum Positiven verändert: "Sie haben Licht in ihre dunkle Welt gebracht."
Jeder fünfte Depressions-Patient spricht auf keine Therapie an
Die Londoner Wissenschaftler gehören zu den wenigen, die es noch wagen, mit bewusstseinserweiternden Drogen zu hantieren. Dabei ist die Hoffnung, mit solchen Substanzen in die Tiefe der Seele vorzudringen, Jahrtausende alt. Schon Schamanen nutzten Zauberpilze. Und als der Schweizer Chemiker Albert Hofmann 1943 das dem Psilocybin ähnliche LSD herstellte, wollte auch er damit etwas für das Seelenheil der Menschen tun: 1949 wurde LSD "zur seelischen Auflockerung bei analytischer Psychotherapie, besonders bei Angst- und Zwangsneurosen" zugelassen. Nur war bald die Zahl der zerstörten Seelen größer als die der geheilten, und so sind die Halluzinogene heute in den meisten Ländern verboten.
Aber Hofmann könnte doch recht gehabt haben. In jüngster Zeit häufen sich die Hinweise darauf, dass der Drogenrausch Ängste und Depressionen mindern kann. Die Substanzen wirken im Gehirn an den gleichen Stellen wie das Hormon Serotonin, das Angst und Kummer vertreibt. Und gegen die Volkskrankheit Depression gibt es bis heute noch zu wenige wirksame Mittel. Etwa jeder fünfte Patient spricht auf keine Therapie an.
Ein kontrollierter Behandlungsversuch mit Psilocybin könne sinnvoll sein, sagt Hans Förstl, Direktor der Klinik für Psychiatrie am Münchner Klinikum rechts der Isar. Depressive Menschen könnten so "neue Lust am Leben bekommen. Sie nehmen Erlebnisse intensiver wahr." Aber er warnt auch: Die Substanzen wurden nicht grundlos verboten. Sie können eine Psychose auslösen, ein Selbstversuch verbiete sich: "Es gibt einen Unterschied zwischen Drogen als Lifestyle und einem Behandlungsversuch in einer ansonsten ausweglosen Situation", so der Experte.
Quelle: sueddeutsche.de