Das Zika-Virus wird zum globalen Notfall
Höchste Alarmstufe: Die WHO erwägt wegen der Zika-Epidemie in Lateinamerika den Gesundheitsnotfall. Warum das nötig ist, aber die Welt nicht in Panik verfallen muss.
Von fast Null auf 1,5 Millionen Fälle allein in Brasilien: Überraschend schnell hat das für die meisten Menschen recht harmlose Zika-Virus in den vergangenen Monaten Menschen infiziert. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) will am Montag entscheiden, ob sie die Epidemie zum weltweiten Gesundheitsnotfall erklärt. Das sagte Generaldirektorin Margaret Chan am Donnerstag während derhalbjährlichen Sitzung des Leitungsstabs der WHO.
Der Infektiologe Marcos Espinal vom amerikanischen Regionalbüro der WHO rechnet damit, dass Zika bald drei bis vier Millionen Menschen infiziert haben wird. Wann dies so weit sein wird, sagte er nicht. Die Zahlen verdeutlichen aber, dass das Virus sich "explosionsartig" ausbreite. Damit steht die höchste Alarmstufe der globalen Gesundheitswächter unmittelbar bevor.
Ein Notfall für die Weltgesundheit – was ist das?
Die WHO nennt es "Public Health Emergency of International Concern" (PHEIC), den weltweiten medizinischen Notfall. Gemeint ist eine "Situation, die ernst, ungewöhnlich oder unerwartet ist; die bedeutend ist für die Volksgesundheit jenseits der Grenzen des betroffenen Staats; und die sofortiges internationales Handeln erfordern kann". So steht es in denInternationalen Gesundheitsvorschriften der WHO.
Insgesamt drei Mal hat die WHO den Notfall bislang ausgerufen. Zuletzt im August 2014, als die Menschen in Westafrika bereits mehr als vier Monate dem schlimmsten Ebola-Ausbruch der Geschichte ausgesetzt gewesen waren. Davor im Mai 2014, als die Zahl der Fälle von Kinderlähmung mit dem Wildtyp des Polioerregers im Nahen Osten, Zentralafrika und -Asien stark anstiegen. Mittlerweile treten deutlich weniger Polio-Erkrankungen auf. Im April 2009 erklärte die WHO erstmals den internationalen Notfall, als die Schweinegrippe zur weltweiten Seuche wurde. Die Pandemie verlief glimpflich, meist erkrankten Menschen, ohne bleibende Schäden zu behalten.
Was macht Zika zu einem potenziellen Notfall?
Die Verantwortlichen der WHO sagen es deutlich: Es gibt keinen Grund zur Panik. Die meisten Menschen, die sich mit Zika anstecken, bemerken es gar nicht. In anderen Fällen kommt es zu leichtem Fieber, Hautausschlag und geröteten Augen. Im Schnitt entwickelt etwa jeder vierte bis fünfte Infizierte typische Zika-Virus-Symptome. Auch ist das Virus nur in seltenen Fällen von Mensch zu Mensch übertragbar. "Das ist nicht Ebola", sagte der WHO-Infektiologe Marcos Espinal. Die Krankheit werde bekanntermaßen durch Mücken verbreitet.
Trotzdem sprechen einige wichtige Punkte für einen internationalen Notfall:
Die Epidemie breitet sich rasant aus und Zika könnte noch Millionen von Menschen infizieren.
Eine Erkrankung verläuft nur in seltenen Fällen schwerwiegend, aber für ungeborene Kinder sind die Folgen wahrscheinlich dramatisch. Es kann zu Fehlbildungen (zu kleine Köpfe) kommen.
Es gibt keinen Impfstoff und keine speziellen Therapien gegen das Virus.
Zika lässt sich bislang nur schwer nachweisen, was den Seuchenschutz zusätzlich erschwert.
Mücken sind die Hauptüberträger des Virus, bislang gelingt es Behörden in betroffenen Gebieten kaum, die Bevölkerung mit Insektenmitteln und anderen Maßnahmen zu schützen.
Welches Risiko besteht für Schwangere?
Während die meisten Menschen eine Zika-Erkrankung gut und rasch überstehen, besteht offenbar eine besondere Gefahr für schwangere Frauen. Stecken sie sich mit dem Virus an, kann der Erreger womöglich über das Blut auf das Kind übertragen werden – selbst wenn die Frau keine Symptome hat. Noch steht der Beweis aus, doch es gilt als sehr wahrscheinlich, dass diese Weitergabe in seltenen Fällen zu Fehlbildungen unter Neugeborenen führen kann. Kinder mit einer Mikrozephalie haben einen zu kleinen Kopf, häufig sind ihre Hirne geschädigt. Derzeit spricht das brasilianische Gesundheitsministerium von rund 4.000 Verdachtsfällen auf eine Mikrozephalie seit Oktober 2015. Der Großteil davon ist noch nicht bestätigt. Auf der WHO-Sitzung rief Generaldirektorin Chan Schwangere in den betroffenen Regionen dazu auf, sich testen zu lassen, sollten sie befürchten, sich mit Zika angesteckt zu haben.Wer Wochen nach einer ausgeheilten Zika-Virus-Infektion schwanger wird, gefährdet sein Kind hingegen nicht mehr. Nach heutigen Kenntnissen verschwindet der Erreger wieder vollständig aus dem Körper.
Wo gibt es bereits bestätigte Zika-Fälle?
Mittlerweile gibt es in 22 Ländern bestätigte Fälle, wie etwa die Europäische Seuchenbehörde berichtet. Die mit Abstand meisten gibt es in Brasilien. Zudem gibt es Infizierte in Barbados, Bolivien, Ecuador, El Salvador, Fiji, Französisch Guyana, Guadalupe, Guatemala, Guyana, Haiti, Honduras, auf den Kapverden, Kolumbien, auf den Malediven, in Martinique, Mexiko, Neukaledonien, Panama, Paraguay, Puerto Rico, Saint Martin, Samoa, auf den Solomon-Inseln, in Surinam, Thailand und Venezuela.In den USA gab es am 28. Januar laut Lyle Peterson von der US-amerikanischen Seuchenschutzbehörde CDC 31 bestätigte Fälle. Bei allen handelte es sich um Menschen, die sich auf einer Reise in der betroffenen Region angesteckt hatten. Die Zahlen würden steigen, da sich nun mehr Leute testen ließen, sagte Peterson.
Auch die deutschen Seuchenwächter vom Robert-Koch-Institut (RKI) gehen davon aus, dass einzelne Reiserückkehrer das Virus bereits in sich tragen. Infizierte gab es auch schon lange bevor sich Zika nun so rasant in Lateinamerika ausbreitete. Konkret hat man zwischen 2013 und 2015 zehn Fälle gezählt. Wer übrigens einmal erkrankt ist, ist künftig immun gegen den Erreger.
Es ist damit zu rechnen, dass künftig weitere Fälle registriert werden. Neben der Übertragung durch Mückenstiche und von Schwangeren auf ihre Ungeborenen, kann das Zika-Virus wohl auch über ungeschätzten Sex von Mensch zu Mensch zu wandern. Letzteres sei aber vermutlich eher selten, schätzt das RKI.
zeit.de