Spondylitis ankylosans: Ein besseres Leben führen durch therapeutisches Cannabis
Veröffentlicht am 16.10.2018 • Von Louise Bollecker
Seit dem Alter von 15 Jahren leidet @Skartapuce (Botschafter-Mitglied aus der französischen Community) unter chronischen Schmerzen, die ihr Leben über viele Jahre lang stark beeinflusst haben. Heute, mit 33 Jahren, ist sie stolze Mutter zweier Kinder. Nun hat sie sich entschieden, über ihre persönliche Geschichte zu sprechen und anderen Mitgliedern zu berichten, wie sie es heute schafft, nicht mehr zu leiden.
Wie haben Sie erfahren, dass Sie unter Morbus Bechterew leiden? Wie waren Ihre Symptome?
Meine Spondylitis wurde Ende 2017 von einem Rheuma-Spezialisten diagnostiziert. Dieser wurde mir von einer Freundin empfohlen, die auch unter Ankylosierender Spondylitis leidet und ähnliche Symptome aufwies wie ich.
Können Sie uns von den Schmerzen und deren Auftreten berichten?
Ich habe schon immer “Rückenschmerzen”. Als ich klein war hatte ich eine Skoliose, das war zunächst die Ursache für die Schmerzen.
Die richtigen Schmerzen haben angefangen, als ich 15 war. Zunächst um die Hüften herum. Laut dem Schularzt handelte es sich um eine Sehnenentzündung der Hüfte. Ich litt außerdem unter einem Beckenschiefstand. In der Schule hatte ich sehr große Schwierigkeiten, mich zu konzentrieren und mir Dinge zu merken. Ich musste mich dafür extrem anstrengen.
Als junge Erwachsene bekam ich dann Ischias-Anfälle. Nichts konnte die Ischias-Schmerzen lindern. Weder Medikamente, noch die verschriebene “Erholung”. Man sagte mir, das komme von meiner körperlich anstrengenden Arbeit, und von der Tatsache, dass ich eine Person bin, die sich leicht stressen lässt - ich war allerdings nie eine Person, die sich leicht stressen lässt.
Ich war auch immer sehr müde und dachte, das kommt von meiner Arbeit. Ich fing um 5 Uhr morgens an zu arbeiten und verbrachte meine Nachmittage damit, Schlaf nachzuholen. Die Ischiasanfälle haben nie aufgehört. Ich hatte oft ganz plötzlich Schmerzen, ohne Vorwarnung, egal ob ich mich vorher körperlich betätigt habe oder nicht. Mal hatte ich auf der rechten Seite Schmerzen, dann auf der linken Seite, dann auf beiden gleichzeitig.
Haben Sie nach Behandlungen für diese Schmerzen gesucht?
Ich habe MRTs gemacht, aber es wurde nichts gefunden… Ich habe 15 Kilo abgenommen, aber nichts hat sich verändert. Ich habe posturale Therapien, Massagen bei Physiotherapeuten und Mesotherapie ausprobiert. Ich trug orthopädische Einlagen, um ein Bein, das etwas kürzer ist als das andere, zu korrigieren. Ich war außerdem mehrmals bei einem Osteopathen und nahm viele Entzündungshemmer. Nichts hat geholfen.
Die Ischias-Schübe kehrten immer wieder zurück und hielten Wochen und Monate ohne Unterbrechung an.
Können Sie uns diese Schmerzen beschreiben?
Es war wie ein ständiges Brennen, als würde mir jemand in den Ischias-Nerv kneifen. Ich hatte außerdem Schmerzen, die sich in Form von elektrischen Entladungen zeigten. Diese waren so stark, dass ich teilweise das Gleichgewicht verlor und zu Boden fiel. Die Schmerzen begannen auf der Höhe des Beckens und zogen sich bis in das Gesäß (ein bestimmter Punkt, als würde sich alles nach innen zusammenziehen, ein Dauerkrampf), dann in die Oberschenkel und bis in die Waden. Manchmal sogar bis zum Fuß, mit permanentem Kribbeln. Ich hatte den Eindruck, dass mein Bein so viel wiegt wie ein riesiges totes Stück Holz.
Und dann werden Sie Schwanger und alles hört plötzlich auf...
Um die 30 war ich mit meinem ersten Kind schwanger. Damals waren auf einmal sämtliche Schmerzen wie weggeblasen. Sie können sich gar nicht vorstellen, was für ein tolles Gefühl das war. Dann wurde ich zum zweiten Mal schwanger - und es war wieder ganz genau so. Keinerlei Schmerzen. Bis dahin hatte ich mich noch nie so wohl in meinem Körper gefühlt.
Leider sind nach beiden Schwangerschaften 4 Tage später die gleichen Ischias-Schmerzen wieder aufgetreten. Im Jahr 2016 traten die Anfälle dann plötzlich nachts auf, begleitet von einem starken Druckgefühl im gesamten Brustkorb. Ich konnte nicht mehr normal atmen und empfand einen brennenden Schmerz im ganzen Rückenbereich, den Schultern und dem Nacken.
Ich wachte jede Nacht um 4 Uhr morgens auf, geweckt von den Schmerzen. Ich konnte nicht mehr Schlafen, lag weinend wach vor Schmerzen, und fand keine Position, in der ich es aushielt. Ich begann damit, die restliche Nacht im Sitzen auf meinem Schwangerschaftskissen zu verbringen. So ging es fast drei Jahre lang. Am Morgen konnte ich den Kopf nicht bewegen, weder heben, senken noch drehen.
Aufgrund dieser katastrophalen Nächte (Schlafengehen wurde für mich zur Qual) fing ich an, getrennt von meinem Partner zu schlafen und unter großem Schlafmangel zu leiden. Mir ging es einfach nur schlecht, mir tat alles weh, ich wurde zu einer richtig negativen Person… jemand, der ich eigentlich gar nicht bin. Meine ganze Welt fing an in sich zusammen zu brechen, was bei mir eine Depression auslöste.
Die chronischen Schmerzen nahmen also eine wichtige Stelle in Ihrem Alltag ein?
Die Schmerzen gehörten zu meinem Leben. Für mein gesamten Umfeld war ich die Person, die permanent Rückenschmerzen hat. Ich führte mein Leben mit und vor allem in totaler Abhängigkeit von den Schmerzen und der Müdigkeit.
Mit 30 habe ich resigniert und mir gesagt, ich muss einfach akzeptieren, dass ich für immer ein Leben mit Schmerzen führen werde. Wenn es nach den Ärzten ging, war ich vor allem selbst für die Schmerzen verantwortlich. Alles sei im Kopf!
Wie wirken sich die Schmerzen heute auf Ihren Alltag auf?
Heute beeinflussen die Schmerzen meinen Alltag gar nicht mehr.
Die Krankheit hat mich allerdings einen Teil meines Lebens gekostet, unter anderem meine Arbeit. Für einen Chef ist es schwer eine Angestellte zu haben, die ständig über Rückenschmerzen klagt, die krankgeschrieben ist und die weinend und humpelnd, die Zähne zusammengebissen, auf die Arbeit kommt. Niemand nimmt einen ernst, wenn man seine Schmerzen nicht richtig erklären kann - auch kein Arzt!
Auch für den Partner ist es eine schwierige Situation. Er muss nicht nur tolerant und mitfühlend sein, er muss uns auch eine Schulter zum Anlehnen geben und im Alltag helfen, wenn man nicht mehr alleine aus der Dusche kommt!
Die Schmerzen haben mich auch daran gehindert, die Mutter zu sein, die ich gerne gewesen wäre: glücklich und für die Kinder da. Ich hatte damals große Gewissensbisse deswegen.
Die Krankheit hat sich auch stark auf mein Sozialleben ausgewirkt. Wenn man Schmerzen hat, will man einfach nur alleine sein. Es ist schwer seinen Freunden und Familie zu erklären wie es möglich ist, dass man plötzlich starke Schmerzen hat obwohl man ein paar Stunden früher noch Laufen und Rennen konnte…
Seit wann nehmen Sie therapeutisches Cannabis?
Ich nehme seit fast einem Jahr Cannabis-Öl. Ich bin durch Recherchen im Internet darauf gestoßen, viele Patienten berichteten von positive Erfahrungen.
Was hat sich durch die Therapie bei Ihnen verändert?
Die Behandlung mit Cannabis hat einfach alles geändert. Vorher nahm ich Tramadol und Kortison und wartete darauf, mit einer Biotherapie beginnen zu können (ich stand auf einer Warteliste für die nötigen Untersuchungen).
2 bis 3 Wochen nach Therapiebeginn fing ich an viel besser zu schlafen. Ich wachte weniger auf und schlief leichter ein, die Schmerzen waren nicht mehr so stark.
Ich fühlte mich auch erleichtert, ausgeglichener und ich war nicht mehr so frustriert.
Ich muss aber dazu sagen, dass das CBD-Öl für mich keine Behandlung ersetzt hat. Ich habe im Februar 2018 mit einer Biotherapie begonnen und nehme das Cannabisöl als Behandlungsergänzung. Ich ziehe es dem Tramadol vor, was in der Regel von Rheumatologen verschrieben wird.
Haben Sie unerwünschte Nebeneffekte festgestellt?
Ich verspüre keinerlei Abhängigkeit. Manchmal nehme ich das Öl mehrere Tage oder sogar Wochen lang nicht, weil ich es vergesse. Ich merke es dann, wenn ich anfange Schmerzen zwischen den Schulterblättern zu spüren. Dann nehme ich die Tropfen wieder täglich. Dann werden die unerträglichen Schmerzen wieder erträglich. Meistens verschwinden sie sogar.
Anti-TNF-Wirkstoffe kombiniert mit CBD-Öl sind in meinem Fall sehr effektiv.
Was würden Sie einem Patienten raten, der unter chronischen Schmerzen leidet?
Was für andere funktioniert, wirkt nicht unbedingt bei einem selbst.
Ich raten jedem, sich die Zeit zu nehmen und auf seinen Körper zu hören. Suchen Sie die Nähe von positiven Menschen in Ihrem Umfeld. Schauen Sie nach einem Spezialisten, bei dem Sie sich gut aufgehoben und ernst genommen fühlen. Akzeptieren Sie die Schmerzen, werden Sie nicht wütend darüber. Versuchen Sie nicht zu viel darüber nachzudenken und machen Sie sich nicht über jedes kleine Symptom, das auftritt, Gedanken. Sagen Sie sich nicht, dass das Leben zu Ende ist.
Ich würde der Person raten, eine positive Lebenseinstellung anzunehmen. Nehmen Sie das Glas lieber halb voll als halb leer wahr. Seien Sie tolerant und zeigen Sie Verständnis dafür, dass andere Schwierigkeiten damit haben, eine unsichtbare Behinderung zu akzeptieren, die sie selbst nicht kennen. Es ist nicht immer einfach an Schmerzen zu glauben, die man nicht sieht.
Machen Sie die Augen auf, freuen Sie sich über die einfachen Dinge des Lebens. Vermeiden Sie Stress und negative Menschen. Wir haben noch ein langes Leben vor uns… es liegt an uns, es möglichst angenehm zu gestalten!
Wir bedanken uns herzlich bei Skartapuce für dieses offene Gespräch und hoffen, ihre Erfahrungen können anderen Mitgliedern und Schmerzpatienten Mut machen.
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