Ich lebe mit meinem Diabetes, aber nicht für meinen Diabetes
Veröffentlicht am 16.11.2016
In diesem Interview könnt ihr Sabine kennenlernen. Sabine ist seit ihrem 3. Lebensjahr an Typ-1-Diabetes erkrankt.
1 - Könnten Sie sich bitte kurz in etwa drei Sätzen vorstellen (Alter, Beruf, Gegend, aus der Sie kommen…)?
Ich heiße Sabine und arbeite als mathematisch-technische Assistentin bei einem Gerichtssachverständigen für Verkehrsunfallrekonstruktion in Aachen.
2 - An welchem Diabetes-Typ sind Sie erkrankt und seit wann?
In meinem 3. Lebensjahr wurde der Typ-1-Diabetes diagnostiziert. Dies war vor rund 46 Jahren, im Jahr 1970.
3 - Was waren Ihre ersten Symptome?
Nach meiner Mutter habe ich oft im Bad aus dem Wasserhahn getrunken, da ich trotz häufigem Trinken extremen Durst hatte. Vor dieser Zeit lag ich lange im Krankenhaus wegen einer beidseitigen Hüftdysplasie, die operiert wurde. Ich vermute, dass dabei der Körper so überlastet war, dass er sein schwächstes Glied angegriffen hat, und das war wohl die Bauchspeicheldrüse.
4 - Wie war es für Sie, als Kind/Jugendliche mit Diabetes aufzuwachsen?
Ich denke, ich wurde bzw. musste durch meinen Diabetes eigentlich zu schnell erwachsen werden. Mir fehlt ein bisschen eine unbekümmerte Kindheit. Ich habe mich mit ca. 6 Jahren selbst gespritzt und vieles schon eigenständig gemacht. Mein Diabetes hat mir schon früh ein hohe Eigenverantwortung und Verantwortung für andere beigebracht. Was im Nachhinein gesehen für mich ambivalent ist.
5 - Wird Ihr Diabetes schon immer mit einer Pumpe behandelt? Weshalb haben Sie sich für diese Art der Behandlung entschieden?
In den Anfangsjahren wurde ich von meinen Eltern gespritzt, die dafür noch ein Kombinations-Insulin mit Glasspritzen benutzten, die nach jeder Injektion abgekocht werden mussten. Mit 6 Jahren habe ich dann selber gespritzt. Mit ca. 19 Jahren bin ich dann auf eigenen Wunsch auf ICT-Therapie umgestiegen und habe mich relativ lange gegen die Pumpentherapie gewehrt. Erst als ich aufgrund eines vom Markt genommenen Insulins um 3 Uhr nachts noch eine Basalinsulindosis geben musste, habe ich auf diese Injektionsform gewechselt. Jetzt bin ich sehr begeistert davon, da man mit keiner anderen Injektionsform so gut die körpereigene Insulinversorgung nachbilden kann. Sport und andere Aktivitäten oder auch Krankheiten sind besser abzufangen und die Pumpen bieten heute die Kopplung mit den kontinuierlichen Blutzuckermesssystemen.
6 - Wie wirkt sich Ihr Diabetes heute auf Ihr Leben aus? Gibt es Dinge, die Sie besonders beachten müssen? Fühlen Sie sich durch den Diabetes in Ihrer Lebensqualität eingeschränkt?
Ich lebe halt nach dem Motto: Ich lebe mit meinen Diabetes, aber nicht für meinen Diabetes. In allen Lebenssituationen, die ein gewisses Maß an Kontrolle benötigen, wie z.B. Autofahren, Sport u.ä., wird vorab der Blutzucker getestet und entsprechend die Insulindosierung angepasst oder die Aktivität ggf. auch zurückgestellt. Das Einzige, was ich schade finde, ist, dass ich bei allen zuckerhaltigen Getränken vorsichtig sein muss bzw. sie mir verkneife. Ansonsten fühle ich mich durch meinen Diabetes nicht in der Lebensqualität eingeschränkt. Ich mache all die Dinge, worauf ich Lust habe unter Berücksichtigung der Auswirkungen auf den Blutzuckerspiegel.
7 - Sie engagieren sich auch in Selbsthilfegruppen. Was motiviert Sie dazu? Wem würden Sie zum Besuch einer solchen Gruppe raten?
Die Selbsthilfegruppenmitglieder haben so viele Erfahrungen mit ihrem chronischen Diabetes gemacht, der ein 24-Stunden-Job ist, wovon es keinen Urlaub gibt, dass ich nicht jede schlechte Erfahrung wiederholen muss. Die Gruppe gibt mir Unterstützung und viele lustige Dinge mit Diabetes, die ich gerne auch zurückgebe. Selbsthilfegruppen sind für jeden chronisch Erkrankten etwas. Ein Austausch von Personen, die selbst betroffen sind, zeigt, dass man nicht alleine mit seinen Sorgen und Nöten ist und Hilfe dort schneller vermittelt werden kann als bei einer zeitreglementierten Sitzung beim Arzt.
8 - Wohin kann man sich wenden, wenn man an Diabetes oder an einer anderen Krankheit erkrankt ist und eine Selbsthilfegruppe (SHG) sucht?
In vielen Städten gibt es die Kontakt- und Informationsstellen für Selbsthilfe (KIS) oder eine Abteilung des Paritätischen. Dort können Adressen vor Ort angefragt werden. Oft wissen auch die behandelnden Ärzte oder Apotheken oder Krankenhäuser über Gruppen Bescheid. Und wie immer im Internet nach dem eigenen Krankheitsbild und einem entsprechenden Verein suchen. Oft stellen sich Selbsthilfegruppen auch auf medizinischen Messen zum Krankheitsbild vor. Oder wenn man andere Betroffene kennt, dort mal fragen, ob diese in einer SHG sind.
9 - Gibt es noch andere Dinge, die Sie uns gerne mitteilen möchten?
Neben der mir sehr wichtigen Arbeit in den Selbsthilfegruppen bei der Deutschen Diabetes-Hilfe – Menschen mit Diabetes finde ich es wichtig, dass sich jeder Diabetiker auch auf der politischen Seite für Diabetiker engagiert. Viele Schwierigkeiten im Bezug auf Hilfsmittel oder Insuline, aktuell z.B. die kontinuierliche Blutzuckermessung, gründen letzten Endes auf politischen Entscheidungen bzw. Gesetzen. Dort müssen wir Diabetiker gemeinsam das Wort erheben, denn wenn alle Diabetiker Deutschlands (jeder 8. Deutsche ist Diabetiker) gemeinsam politisch aktiv (z.B. für den Diabetesbericht NRW bzw. BRD) werden, dann kann es sich keine Partei leisten, diese vielen Wähler zu enttäuschen. Diesbezüglich bin ich auch im Parlamentarischen Frühstück im Landtag NRW in Düsseldorf tätig.
Vielen Dank, dass Sie sich so viel Zeit für dieses Interview genommen haben, und weiterhin alles Gute!
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