Diagnose Brustkrebs: "Ich liebe das Leben!"
Veröffentlicht am 02.05.2017 • Von Louise Bollecker
Für Andrea bedeutete die Diagnose Brustkrebs eine Abfolge von Behandlungen wie Chemotherapie, Operation und Strahlenbehandlung. Wie sie dennoch eine positive Lebenseinstellung bewahren konnte, erfahren Sie in ihrer Patientengeschichte.
Hallo! Könnten Sie sich bitte in ein paar Sätzen vorstellen?
Mein Name ist Andrea Voß, ich bin 53 und lebe mit meinem Partner. Wir haben eine gemeinsame 20-jährige Tochter. Ich habe über 20 Jahre als Bauzeichnerin, Vermesserin und Bauabrechner in einer Baufirma gearbeitet. Heute aber bin ich Erwerbsminderungsrentnerin und mache einen kleinen Minijob. Ich komme aus dem schönen Ort Wustrau, das liegt am Ruppiner See in der Nähe von Neuruppin in Brandenburg.
Im April 2014 wurde bei Ihnen Brustkrebs festgestellt. Wie kam es zu dieser Diagnose? Traf Sie diese Diagnose völlig überraschend?
Ich bin im April zu einer Routineuntersuchung zu meiner Frauenärztin gegangen. Ich wollte eine Woche später eine neue Arbeitsstelle weit entfernt von meinem Heimatort anfangen. Ich wäre dann eine tägliche Pendlerin geworden. Und ich dachte, dass ich dann keine Zeit finde, meinen Arztbesuch zu machen. Ich hatte allerdings einige Tage zuvor mit täglichem Nachtschweiß zu kämpfen. Ich ahnte, dass etwas nicht stimmte. Als die Diagnose dann von meiner Ärztin kam, erlebte ich einen derartigen Schockmoment. Ich erlebte eine Achterbahn meiner Gefühle und Gedanken.
Wie wurde der Brustkrebs bei Ihnen behandelt und wie ging es Ihnen mit dieser Behandlung?
Gleich einen Tag nach der Diagnose ging ich zur Mammographie und ins Brustkrebszentrum. Es wurden dort 7 Stanzbiopsien gemacht. Ich empfand das als total unangenehm. Der Schock hat tief gesessen. Meine Brust hatte überall blaue Flecken und ich hatte eine wahnsinnige Angst vor dem Ergebnis, das ich dann eine Woche später erhielt.
Es bestätigte sich die Diagnose. Mein Arzt schockte mich dann gleich. Er meinte, dass die Brust abgenommen werden müsse und dass er sofort mit einer Chemotherapie beginnen wolle. Dann zeigte er mir noch Fotos von misslungenen OPs von anderen Frauen. Ich empfand das damals als total unangenehm und es machte mir noch mehr Angst.
Ich war - wie gesagt - sehr geschockt, was ich dort erleben musste. Ich sagte Ihm dann, dass ich mir eine Zweitmeinung holen wollte, weil ich das alles einfach nicht glauben konnte. Ich wollte auch nicht, dass man mit einer Chemotherapie beginnt.
Dann war ich einige Tage später in Potsdam bei einer anderen Ärztin und ließ mir den Befund nochmal ganz genau erklären. Sie machte mir klar, dass man die Tumore herausnehmen müsse.
Als ich an dem Tag nach Hause fuhr, fasste ich den Entschluss, dass die OP so schnell wie möglich gemacht wird. Ich rief dann selbst im Krankenhaus an und machte eine Einweisung ins Krankenhaus für die darauf folgende Woche klar. Ich wollte einfach nicht mehr länger warten. Meine Frauenärztin war natürlich etwas sauer mit mir, weil ich mich selbst um die Einweisung gekümmert habe. Ich bin dann doch in die Ruppiner Kliniken gegangen, um mich operieren zu lassen. Da traf ich natürlich auf denselben Arzt, der mich so geschockt hatte. Einen Tag vor der OP wurden dann sämtliche Vorbereitungen getroffen, so dass die OP am nächsten erfolgen konnte.
Ich ahnte da noch nicht, was ich alles noch erleben sollte. Mein Arzt bestellte mich nochmal am Tag kurz vor der OP und markierte meine Tumore mit schrecklichen Drähten. Die wurden mir ohne Betäubung in die Brust gesteckt. Das war total unangenehm. Er hat mir die Drähte ohne Vorwarnung in meine Brust gesteckt.
Ich wurde im Mai 2014 an der rechten Brust brusterhaltend operiert.
Ich hatte drei Tumore in meiner Brust. Der Wächterlymphknoten wurde entfernt. Die Lymphknoten waren nicht befallen. Als ich aus meiner Narkose erwachte, fühlte ich mich froh und glücklich, dass ich alles überstanden hatte und auch meine Brust noch dran war.
Als der Arzt dann nach ein paar Stunden zu mir kam, sagte er mir das die OP selbst gut verlaufen ist, aber er unbedingt nochmal mit mir reden müsse. Er sah dabei ziemlich traurig aus.
In den Tagen nach der OP ging mir der Arzt aber nur immer aus dem Weg. Das machte mich traurig. Ich ließ die üblichen Nachuntersuchungen über mich ergehen. Die Drainage in der Brust unten wurde am zweiten Tag nach der OP gezogen. Ich hatte ziemliche Schmerzen. Es wurde während des Krankenhausaufenthaltes auch ein Knochenszintigramm von mir gemacht.
Erst einen Tag vor meiner Entlassung sollte ich dann erfahren, was es damit auf sich hatte. Am letzten Abend zwischen Tür und Angel kam der Arzt auf einmal ins Zimmer und teilte mir mit, dass bei mir Knochenmetastasen gefunden wurden. Ich konnte es einfach nicht glauben, was ich da gehört habe. Ich sagte dann zu ihm, dass ich das etwas näher erklärt haben möchte.
Ich ging dann mit ihm in das Behandlungszimmer und wir schauten uns den Befund vom Knochenszintigramm an. Er sagte mir dann noch, dass ich unheilbar erkrankt bin und erklärte mir die weiteren Maßnahmen. Ich konnte das alles nicht glauben. Das musste ich dann erst einmal so richtig verarbeiten. Eine Woche später wurde mir dann ein Port implantiert, über den ich dann seitdem alle 4 Wochen eine Zometainfusion erhalte. Auch 33 Bestrahlungen musste ich über mich ergehen lassen. Eine Woche, nachdem die Behandlung mit den Bestrahlungen beendet war, fuhr ich dann zur Anschlussheilbehandlung nach Boltenhagen. Diese AHB bekam mir ziemlich gut. Hier traf ich auf sehr kompetente Ärzte, die mir meine aufkommenden Fragen gut beantworten konnten.
Gibt es bei Ihnen in der Familie andere Personen, die von Brustkrebs betroffen sind bzw. waren?
Nein, niemand aus meiner Familie an Brustkrebs erkrankt. Ich habe jedoch jetzt erfahren, dass meine Cousine aus Kiel im Alter von 50 Jahren jetzt im Frühjahr 2017 erkrankt ist.
Wie geht es Ihnen heute? Was hat sich seit der Diagnose Brustkrebs in Ihrem Leben verändert?
Mir geht es heute den Umständen entsprechend gut. Ich habe gelernt, mich über Kleinigkeiten zu freuen. Mein Leben hat sich auch sehr zum Positiven gewandelt. Ich lebe seitdem viel bewusster und genieße jeden Tag. Ich ernähre mich gesünder, bewege mich viel mehr als früher und habe viele soziale Kontakte. Wie z. B. meine Sportgruppe „Sport zum Leben“. Hier treffe ich mich ebenfalls mit anderen an Krebs erkrankten Menschen. Wir machen uns gegenseitig Mut und unterstützen uns auch in vielen Bereichen. Wir können hier unsere Sorgen und Nöte loswerden. Wir können zusammen lachen und weinen. Das tut unserer Seele ziemlich gut.
Ihre Erfahrungen und Gefühle im Zusammenhang mit Brustkrebs verarbeiten Sie auch in einem Blog. Könnten Sie uns etwas mehr darüber erzählen?
Ich habe im Dezember 2014 angefangen, einen Blog zu schreiben: meinlebenmitbrustkrebs.blogspot.com
In dem Blog verarbeite ich meine Gedanken und Gefühle, die ich im Zusammenhang mit meiner Brustkrebserkrankung erfahren und durchlebt habe. Es geht in diesem Blog auch konkret um Dinge, die ich in meinen Leben seit meiner Brustkrebserkrankung mit Knochenmetastasen verändert habe. Das Aufschreiben hilft mir, meine Therapie und meine Gedanken besser verarbeiten zu können. Im vergangenen Jahr habe ich ein kleines Büchlein geschrieben. Es tat mir sehr gut, in dem Buch all das aufzuschreiben, was mich seit der Diagnose bewegt hat.
Verraten Sie uns den Titel?
Ja, „Mein Leben mit Brustkrebs und wie ich das positive Denken erlernte“. Erschienen ist das Buch mit der ISBN-Nummer 978-7404-1067-5 im Twenty-Six-Verlag. Auf Amazon kann mein Buch unter folgendem Link bestellt werden: https://www.amazon.de/dp/B01DXYXU74/ref=dp-kindle-redirect?_encoding=UTF8&btkr=1
Gibt es noch andere Dinge, aus denen Sie Kraft schöpfen?
Ich habe im vergangenen Jahr an einen Pilateskurs teilgenommen. Auch das Yoga habe ich jetzt für mich entdeckt. Außerdem gehe ich ca. fünfmal pro Woche in das benachbarte Dörfchen Altfriesack und zurück. Die Bewegung an der frischen Luft tut mir ziemlich gut.
Vor kurzem habe ich angefangen, bei uns im Dorf zum Gute-Laune-Tanz zu gehen. Wir sind eine kleine Tanzgruppe, die Line Dance, Kreistänze, Irische Tänze erlernt. Es macht einen riesigen Spaß, wir lachen sehr viel mit einander.
Es tut mir auch ziemlich gut, mich in sozialen Kanälen mit anderen Betroffenen auszutauschen.
Am 8.7.2017 nehme ich zum dritten Mal in meinem Leben an Rudern gegen Krebs in unserer Heimatstadt Neuruppin teil. Das Rudern macht mir unheimlichen Spaß. Ich werde im Vierer wieder auf einem der Patientenboote mit dabei sein.
Was würden Sie Frauen sagen, die gerade erst die Diagnose Brustkrebs bekommen haben?
Ich würde Ihnen sagen, dass das Leben auch mit einer Krankheit schön sein kann. Und es gibt immer wieder Hoffnung und schöne Dinge im Leben. Man kann sein Leben noch sehr lange selbstbestimmt leben.
Vielen Dank für dieses Interview. Wir wünschen Ihnen weiterhin alles Gute!
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