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Falsche Erinnerungen: Kann unser Gedächtnis uns täuschen?

Veröffentlicht am 11.01.2022 • Von Candice Salomé

Falsche Erinnerungen, auch als oder „Pseudoerinnerungen“ oder „false memory“ bezeichnet, sind Erinnerungen, die Verzerrungen gegenüber der Realität aufweisen und Interpretationen und Schlussfolgerungen beinhalten. Noch dramatischer ist, dass sie auch die Form von Ereignissen annehmen können, die nie stattgefunden haben.

Aber warum täuscht uns unser Gedächtnis manchmal? Welche Mechanismen führen zu falschen Erinnerungen? Und was sind die Ursachen dafür? 

Wir sagen Ihnen alles in unserem Artikel!

Falsche Erinnerungen: Kann unser Gedächtnis uns täuschen?

Oft spielt uns unser Gedächtnis einen Streich. Manchmal vergessen wir Dinge und manchmal stellen unsere Erinnerungen eine ungefähre oder gar stark verzerrte Realität dar. Es kann auch sein, dass unser Gehirn eine Erinnerung an ein Ereignis konstruiert, das nie stattgefunden hat. Diese falschen Erinnerungen sind nicht immer harmlos, in Bezug auf die Folgen, die sie mit sich bringen können.

Was ist eine Erinnerung? 

Eine Erinnerung wird vom Duden definiert als „Besitz aller bisher aufgenommenen Eindrücke; Gedächtnis“ sowie als „Eindruck, an den jemand sich erinnert; wieder lebendig werdendes Erlebnis“.

Eine Erinnerung verändert sich und ist in einem ständigen Prozess der Erschaffung oder Rekonstruktion. Denn das Gehirn kombiniert Elemente, die bereits im Gedächtnis vorhanden sind, mit dem, was es im Laufe der Zeit hört, lernt und denkt.

Dieses Phänomen gilt insbesondere für das „episodische“ bzw. „autobiographische“ Gedächtnis. Dabei handelt es sich um das Gedächtnis, das die Erinnerungen unseres persönlichen Lebens betrifft. So ist eine Erinnerung nie fest und wird mit jeder Erzählung um eine neue Information oder einen neuen Kommentar erweitert.

Im Laufe der Zeit erscheint es fast unmöglich, sagen zu können, bis zu welchem Punkt eine Erinnerung wahr ist. In dieser Erinnerung wird Wahres, aber auch Falsches enthalten sein.

Erinnerungen sind wie Puzzles. So kann ein Geruch eine Kindheitserinnerung wecken, eine Musik kann Sie an Ihren Urlaub erinnern. Ausgehend von einer Empfindung werden andere Sinneskanäle aktiviert und setzen die Erinnerung wieder zusammen. 

Unsere Erinnerungen sind Rekonstruktionen und die Vorstellungskraft füllt die Lücken der Elemente aus, an die man sich nicht erinnert, sodass die Erzählung der Erinnerung einen Zusammenhang erhält. 

Warum verzerrt unser Gedächtnis die Erinnerungen? 

In unserem Leben gibt es mehr falsche als richtige Erinnerungen, und das gilt selbst für die jüngsten Erinnerungen.

Freud interessierte sich besonders für dieses Thema; er suchte nach der Bedeutung, die falsche Erinnerungen für das Individuum haben können. Aber warum produziert unser Gedächtnis falsche Erinnerungen?

Das Gedächtnis baut sich regelmäßig neu auf und integriert Ereignisse aus der Gegenwart, die sich mit anderen, mehr oder weniger alten und mehr oder weniger ähnlichen Ereignissen vermischen.

Da das Gedächtnis nicht in der Lage ist, die reine Realität wiederherzustellen, gibt es einen Bericht der Realität. Aus persönlicher Überzeugung oder aufgrund einer induzierten Überzeugung stellen wir dann falsche Erinnerungen her.

Die Forschung hat außerdem gezeigt, dass eine Erinnerung, die in einem positiven Kontext hervorgerufen wird, selbst positiver wird als ihre ursprüngliche Version. Wenn eine negative Erinnerung in einem negativen Kontext wiedergegeben wird, wird diese sogar noch negativer als die ursprüngliche Erinnerung.

Falsche Erinnerungen stellen nichts Schlimmes dar, solange sie nicht zu falschen Aussagen führen oder böswillig herbeigeführt werden, z.B. durch eine Person mit schlechten Absichten.

Dennoch kann es manchmal vorkommen, dass Sie sich zwar scheinbar genau an eine Kindheitserinnerung erinnern, diese aber nie existiert hat.

Was ist eine Konfabulation? 

Konfabulation wird definiert als das Auftreten von Erinnerungen an Ereignisse, die nie stattgefunden haben. Es handelt sich hierbei um sehr seltene Fälle. Die meisten falschen Erinnerungen haben ihre Wurzeln in der Vergangenheit. 

Es gibt verschiedene Formen der Konfabulation. 

Die harmloseste Form besteht in der Erstellung von kleinen Fehlern oder Ergänzungen, wenn man versucht, mehr Informationen aus seinem Gedächtnis zu ziehen, als man tatsächlich speichern konnte. Es handelt sich dann um „provozierte Konfabulationen“.

Dies kann jedem passieren, tritt aber häufiger nach einer Schädigung des Gehirns auf.

Phantastische Konfabulationen“ hingegen widersprechen jeglicher Realität. Sie sind mit schweren Störungen des Denkens verbunden und treten meist bei fortgeschrittener Demenz auf.

Zwischen diesen beiden Formen von Konfabulationen gibt es die „momentanen Konfabulationen“. Dabei handelt es sich um falsche Erzählungen von Ereignissen oder Aktivitäten, die eine Person als Antwort auf Fragen oder in einer Diskussion produziert. 

Laut Prof. Armin Schnider, Chefarzt der Abteilung für Neurorehabilitation am Universitätsspital Genf (HUG) und Professor an der medizinischen Fakultät der Universität Genf, ist in den meisten Fällen von Konfabulation der vordere Teil des Gehirns geschädigt. Dies kann die Folge eines geplatzten Aneurysmas oder eines Schädel-Hirn-Traumas sein.

Der Schaden befindet sich im orbitofrontalen Kortex über den Augen, dessen Aufgabe es ist, die Realität zu filtern. In diesem Bereich des Gehirns wird festgestellt, ob sich ein Gedanke auf die Gegenwart bezieht. Dies geschieht sehr schnell, zwischen 200 und 300 Millisekunden, ohne dass wir den Inhalt des betreffenden Gedankens überhaupt wahrnehmen.

Weiterhin laut Prof. Armin Schnider lernen die Betroffenen nicht aus ihren Fehlern, wenn sie sehen, dass ihre Erwartungen nicht erfüllt werden.

Worum handelt es sich bei dem Gefühl eines „Déjà-vu“? 

Im Gegensatz zur Konfabulation handelt es sich beim Déjà-vu nicht um eine Verwechslung von Vergangenheit und Gegenwart. Vielmehr handelt es sich um ein Gefühl der übersteigerten Vertrautheit mit dem gegenwärtigen Augenblick. Wir bleiben mit der Realität verbunden.

Tatsächlich haben viele von uns schon einmal für einige Sekunden das Gefühl gehabt, z.B. in einem fremden Haus schon einmal gewesen zu sein. Das ist zwar unmöglich, aber das Gefühl ist ziemlich banal. Etwa sieben von zehn Menschen haben dies mindestens einmal in ihrem Leben erlebt.

Das liegt an bestimmten Indizien wie einem Geruch, der Lichtverhältnisse oder der Stimme der Person, die gerade an unserer Seite ist, die die „Vertrautheit“ aktivieren. 

Im Gehirn wird das Déjà-vu durch eine Interaktion zwischen dem temporalen Cortex, der sensorische Informationen verarbeitet, und dem Hippocampus, der für das Gedächtnis und den Sinn für Vertrautheit verantwortlich ist, ausgelöst. Zwei verschiedene Mechanismen, zwei verschiedene Gehirnregionen, Déjà-vu und Konfabulation haben somit nur die wissenschaftlichen Fragen gemeinsam, die sie bis heute aufwerfen.

Finden Sie eine Zusammenfassung der wichtigsten Informationen auch in unserem Video:


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avatar Candice Salomé

Autor: Candice Salomé, Gesundheitsredakteurin

Candice ist Content Creator bei Carenity und hat sich auf das Schreiben von Gesundheitsartikeln spezialisiert. Ihr besonderes Interesse gilt den Bereichen Psychologie, Wellbeing und Sport. 

Candice hat einen... >> Mehr erfahren

1 Kommentar


Karin66
am 11.01.22

Hallo Frau Salomé,

wieder vielen herzlichen Dank für den Artikel - das ist ein ungemein spannendes Thema und gerade auch den Begriff der Konfabulation hatte ich so vorher noch nie gehört.

Es wäre in diesem Zusammenhang sicher auch noch interessant, wie das Gehirn etwa auf eine Hypnose reagiert, in der ja meistens auch (verschüttete) Erinnerungen hervorgeholt werden sollen. Die Hypnose ist ja auch ein Instrument der Psychotherapie, etwa um Kindheitstraumata wie z. B. Misshandlungen wieder frei zu legen, die der betreffende Patient ja meist verdrängt hat.

Viele Grüße

Karin

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