Forscher entdecken 40 Intelligenz-Gene
Veröffentlicht am 23.05.2017 • Von Giovanni Mària
Forscher entdecken 40 Intelligenz-Gene
Wie intelligent wir sind, hängt auch von unseren Genen ab. Forscher haben rund drei Dutzend Erbfaktoren entdeckt, die dazu beitragen. Doch Gene allein sind nicht alles.
ntelligenz ist teilweise erblich bedingt - das wissen Forscher schon länger. Nun haben Wissenschaftler rund 40 weitere Gene identifiziert, die dafür verantwortlich sind. Allerdings müssen die Umweltbedingungen stimmen, um die Entwicklung von Intelligenz zu fördern.
Die Wissenschaftler um Danielle Posthuma von der Universität Amsterdam hatten Daten verschiedener Studien mit insgesamt knapp 20.000 Kindern und fast 60.000 Erwachsenen aus Europa analysiert.
Intelligenzunterschiede zwischen Menschen lassen sich mit den neuen Ergebnissen zu fast fünf Prozent durch bekannte genetische Faktoren erklären. Das sei insgesamt etwa eine Verdopplung im Vergleich zum vorherigen Wissensstand, schreiben Posthuma und ihre Kollegen im Journal "Nature Genetics". Zu den genetischen Faktoren zählen nicht nur Gene, sondern etwa auch winzige Veränderungen im Erbgutstrang - sogenannte Single Nucleotide Polymorphisms (SNP) - die ebenfalls von den Forschern entdeckt wurden.
Verbindung zum Rauchen und zur Lebenserwartung
Die meisten nun entdeckten Gene spielen eine Rolle im Gehirn, etwa beim Aufbau von Nervenzellen. Die Intelligenz-Gene waren nicht nur mit einem hohen Lernerfolg assoziiert, sondern etwa auch mit der Abkehr vom Rauchen, dem Gehirnumfang in der Kindheit, Autismus, Körpergröße und Langlebigkeit. Eine negative Korrelation bestand dagegen unter anderem mit Alzheimer, Depression, Schizophrenie, Hyperaktivität und Ängstlichkeit.
Einen Großteil der Erbanlagen für Intelligenz kennen Forscher bislang allerdings noch nicht. Aus früheren Zwillings- und Adoptionsstudien haben sie die Schätzung abgeleitet, dass die Intelligenz in der Kindheit zu 45 Prozent und im Erwachsenenalter zu 80 Prozent genetisch bestimmt ist.
Bei den Prozentangaben sind sich jedoch längst nicht alle Forscher einig. Der Psychologe Rainer Riemann von der Universität Bielefeld beispielsweise geht von 40 Prozent genetischer Bestimmung bei Kindern und 60 Prozent bei Erwachsenen aus. Er unterstreicht zudem den Einfluss äußerer Faktoren. "Wir wissen heute, dass die mit Intelligenz verbundenen Gene sich nicht einfach entfalten, sondern eine anregende Umwelt notwendig ist, damit die Fähigkeiten sich ausbilden können", erläutert Riemann.
Intelligenz stark von der Umwelt bestimmt
Eine Zwillingsstudie in den USA hatte gezeigt, dass Intelligenzunterschiede bei Kindern aus sozial benachteiligten Familien praktisch gar nicht von genetischen Faktoren abhängen. Nur bei Kindern aus privilegierten Elternhäusern manifestierte sich der mutmaßliche Einfluss der Erbanlagen.
Der praktische Sinn der Studie sei derzeit noch gering, meint Elsbeth Stern von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich, die nicht an der Studie beteiligt war. "Erst wenn man irgendwann Gene findet, aus denen sich zuverlässig Lernstörungen ableiten lassen, könnte man früher mit gezielten Fördermaßnahmen beginnen."
Es sei nicht zu befürchten, dass sich die Intelligenz eines Menschen irgendwann an seinen Genen ablesen lasse, auch wenn die Genetik Fortschritte mache. Intelligenz werde zu stark von der Umwelt bestimmt, sagt Stern. "Wenn genetisch identische Samenkörner an guten oder schlechten Standorten gepflanzt werden, zeigen sich ja auch Unterschiede."
Der Bielefelder Psychologe Riemann warnt vor einer Überbewertung genetischer Faktoren. Intelligenz sei eine notwendige, aber nicht allein hinreichende Bedingung für gute Schulleistungen. Wenn ein normal begabtes Kind viel in Lernen investiere, habe es auch große Chancen auf gute Schulleistungen.
spiegel.de
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