Kalziumtransporter an Krebsentstehung beteiligt
Veröffentlicht am 20.03.2018 • Von Giovanni Mària
Kalziumtransporter an Krebsentstehung beteiligt
Forscher in Linz und Graz fanden heraus, dass bei Krebspatienten ein Kalziumkanal verändert ist. Strömt dadurch ständig Kalzium ein, kann das die Zelle krank machen. Wer Kalzium einnimmt, muss sich aber nicht fürchten.
Forscher der Universität Linz und der Med-Uni Graz haben einen neuen Mitspieler bei der Entstehung von Krebs entdeckt. Es ist ein Ionenkanal namens Orai1, der Kalzium in die Zellen strömen lässt. Ionenkanäle sind Proteine in der Zellwand, die wie Schleusen für elektrisch geladene Teilchen wie Kalzium, Kalium oder Natrium funktionieren.
Obwohl es landläufig bekannt ist als der Stoff, der gute Knochen macht, hat Kalzium im Körper viele lebenswichtige Funktionen. Auf molekularer Ebene fließt es in unseren Zellen ein und aus und regelt dort essenzielle Prozesse wie die Gen-Transkription, also das Ablesen und Ausführen der Informationen der DNA. Kalzium fungiert in der Zelle also auch als sogenannter Wachstumsfaktor – und ist dadurch für die Krebsforschung interessant.
rene Frischauf arbeitet am Institut für Biophysik der Uni Linz und beschäftigt sich mit Ionenkanälen. Sie und ihre Kollegen vermuteten einen Zusammenhang zwischen Kalziumkonzentration in und Entartung von Zellen. Sie nahmen jenes Transportprotein unter die Lupe, das die Ein- und Ausfuhr des Kalziums in den Körperzellen regelt. „Der Kanal ist schon länger bekannt durch eine bestimmte Form der Immunschwäche, die durch eine Mutation im Orai1-Gen entsteht“, erklärt Frischauf. „Dabei verliert der Kanal seine Funktion, und Kalzium kann nicht mehr in die Abwehrzellen hinein. Dadurch können sich diese nicht vermehren.“ Ein ständig offener Kanal könnte somit unkontrollierte Teilung von Zellen zur Folge haben, so der Umkehrschluss der Forscher.
Kanal wird durchlässig
Frischauf und ihre Forscherkollegen machten sich auf die Suche nach Mutationen, also Veränderungen, im Gen des Kalziumtransporters Orai1 von Krebspatienten. Die Informationen dafür stammen aus der im Internet zugänglichen Genom-Datenbank „cBioPortal for Cancer Genomics“, in der die genetischen Codes von circa 11.000 Krebspatienten gespeichert sind.
Tatsächlich fanden die Wissenschaftler dort auffällig viele Mutationen im Orai1-Gen und zwar bei ganz unterschiedlichen Krebsarten. Anschließend untersuchten sie die Auswirkungen dieser Mutationen in Zellkulturen. Das Ergebnis: Allesamt führten zu vermehrtem Kalziumeinstrom in die Zellen und in Folge zu erhöhter Gentranskription und unkontrolliertem Wachstum. Frischauf und ihr Team veröffentlichten die Studie gemeinsam mit Rainer Schindl von der Med-Uni Graz im Fachjournal „Science Signalling“.
Neue Fragen, die sich durch die gewonnenen Erkenntnisse nun auftun, sind etwa die nach dem möglichen pharmakologischen Nutzen: nämlich ob mit Substanzen, die den Kalziumkanal trotz Mutation verschließen können, irgendwann in Zukunft Krebspatienten behandelt werden könnten.
Kalziumzufuhr ungefährlich
Wer nun Sorge hat, zu viel Kalzium zu sich zu nehmen und damit sein Krebsrisiko zu erhöhen, der kann beruhigt sein: „Kalzium ist ein essenzieller Stoff, den jede Zelle zum Überleben braucht. Sein Level im menschlichen Körper ist generell hoch“, betont Frischauf. „Eine zusätzliche Zufuhr führt also keinesfalls zur Krankheit.“
Die entdeckte Fehlfunktion des Orai1-Transporters durch Mutation ist lediglich ein weiterer Puzzlestein im komplexen Gebilde Krebs.
diepresse.com