Schichtarbeit und schweres Heben könnten Fruchtbarkeit schaden
Veröffentlicht am 14.02.2017 • Von Giovanni Mària
Schichtarbeit und schweres Heben könnten Fruchtbarkeit schaden
Schweres Heben und unregelmäßiger Schlaf stressen den Körper - und könnten die Chancen reduzieren, ein Baby zu bekommen. Das zeigt eine Studie zum Einfluss von Arbeitsbedingungen auf die Fruchtbarkeit.
Frauen, die körperlich schwer arbeiten oder in ihrem Beruf unregelmäßige Arbeitszeiten haben, haben eine schlechtere Eizellenqualität und weniger Eizellen. Das könnte ihre Fruchtbarkeit beeinträchtigen, berichten US-Forscher im Fachblatt "Occupational and Environmental Medicine". Wollen Frauen schwanger werden, sollten sie sich des Einflusses bewusst sein.
Eine Reihe von Studien hatte bereits gezeigt, dass die Arbeitsbedingungen einer Frau ihre Fruchtbarkeit beeinflussen. Bisher sei aber noch nicht untersucht worden, welche Abläufe im Körper direkt beeinträchtigt würden, schreiben die Forscher um Lidia Minguez-Alarcón von der Harvard T.H. Chan School of Public Health in Boston. Für ihre Analyse konzentrierten sich die Wissenschaftler auf mehrere Hundert Frauen, die sich zu einer Fruchtbarkeitsbehandlung entschlossen hatten, weil sie auf natürlichem Weg nicht schwanger wurden.
Eibläschen, Hormone, Eizellen
Im Zusammenhang mit der Behandlung erfassten die Mediziner verschiedene Faktoren, die einen Einfluss auf die Fruchtbarkeit haben - etwa die Zahl der Eibläschen, die zu Beginn eines Zyklus in den Eierstöcken vorhanden sind. In den Bläschen befinden sich die Eizellen. Eine geringe Zahl von Eibläschen deutet darauf hin, dass der Eizellenvorrat der Frau abnimmt, womit die Fruchtbarkeit schwindet.
Zudem bestimmten die Forscher, wie viele Eizellen bei den Frauen im Zuge der Fruchtbarkeitsbehandlung heranreiften und wie viele davon voll ausgereift waren. Normalerweise reift in jedem Zyklus nur eine Eizelle in den Eierstöcken vollständig heran. Bei Fruchtbarkeitsbehandlungen werden die Eierstöcke jedoch durch die Gabe von Hormonen dazu angeregt, mehrere Eizellen zu bilden. Diese können dann entnommen und außerhalb des Körpers befruchtet werden.
Außerdem analysierten sie den Gehalt verschiedener Hormone und erfassten mit Fragebögen, unter welchen Bedingungen die Frauen arbeiten mussten. Diese Ergebnisse brachten sie anschließend mit den Ergebnissen der körperlichen Messungen zusammen.
Schwer heben: Weniger herangereifte Eizellen
Die Auswertung der Daten zeigte, dass bei Frauen, die schwer heben, während der Fruchtbarkeitsbehandlung weniger Eizellen in den Eierstöcken heranreifen als bei Frauen, die überwiegend im Sitzen arbeiten oder körperlich weniger schwere Arbeit leisten. Außerdem waren wenige der herangereiften Eizellen vollständig ausgereift und ihr Vorrat an befruchtungsfähigen Eizellen schien insgesamt kleiner zu sein. Dieser Zusammenhang war allerdings statistisch nicht eindeutig.
Die beobachteten Auswirkungen waren bei übergewichtigen und fettleibigen Frauen sowie bei Frauen über 37 Jahren besonders ausgeprägt. Auch bei Frauen, die nachts im Schichtdienst arbeiteten, war die Ausbeute reifer Eizellen geringer als bei Frauen, die tagsüber im Schichtdienst arbeiten. Auf den Hormongehalt wirkten sich die Arbeitsbedingungen nicht aus.
Welche Ursachen den beobachteten Unterschieden zugrunde liegen, wissen die Forscher noch nicht. Möglicherweise seien Störungen der biologischen Uhr daran beteiligt. Ihre Ergebnisse hätten unmittelbare klinische Bedeutung, weil eine geringere Anzahl reifer Eizellen zur Folge hat, dass aus weniger Eizellen ein gesunder Embryo hervorgehen kann, schreiben die Forscher. Ob die Effekte umkehrbar seien - und wie lange das dauere -, müssten aber weitere Untersuchungen zeigen. Unklar sei zudem, ob die Ergebnisse auch für Frauen gelten, die auf natürlichem Wege schwanger geworden sind, ob harte körperliche Arbeit also auch ihre Fruchtbarkeit einschränkt.
Jede Frau bekommt bei der Geburt eine bestimmte Zahl an Eizellen mit auf ihren Weg ins Leben. Wie schnell sich der Vorrat verbraucht, hängt neben Faktoren wie dem Lebensalter oder dem Zeitpunkt der ersten Regelblutung auch vom Lebensstil ab. So tragen zum Beispiel Rauchen oder ein hohes Körpergewicht dazu bei, dass die Eierstöcke vorzeitig altern.
Körperlicher Stress beeinträchtigt die Fruchtbarkeit
Für Georg Döhmen, Reproduktionsmediziner und Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Reproduktionsmedizin (DGRM) liefert die Studie solide Ergebnisse, aber keine grundsätzlich neuen Erkenntnisse. Sie zeige einmal mehr, dass körperlicher Stress die Fruchtbarkeit beeinträchtigt, vor allem in zunehmendem Alter und bei Übergewicht.
"Man muss aber beachten, dass die Ursachen einer eingeschränkten Fertilität meist multifaktoriell sind, da kommen mehrere Sachen zusammen." Einer der wesentlichsten schädlichen Faktoren sei das Rauchen; Sport und gesunde Ernährung hingegen förderten die Fruchtbarkeit bei Männern wie bei Frauen.
Denkbar sei auch, dass der Bildungsgrad und damit zusammenhängende Lifestyle-Faktoren die Ergebnisse miterklärten. So sei der Bildungsgrad bei den untersuchten Frauen geringer, die schwere körperliche Arbeit verrichteten und nachts arbeiteten. "Inwieweit das möglicherweise eine Rolle spielt, beantwortet die Studie nicht." Er rät Frauen, die mit unerfülltem Kinderwunsch zu ihm ins Kinderwunschzentrum kommen, weitgehend gesund zu leben und Stress zu reduzieren, ohne sich völlig aus dem normalen Alltag auszuklinken. "Wenn man sich zu viele Regeln auferlegt, kann das sonst auch Stress erzeugen und dann kontraproduktiv sein."
spiegel.de
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