Ständig müde? Ein Arzt erklärt, woran es liegen könnte
Veröffentlicht am 29.09.2017 • Von Giovanni Mària
Ständig müde? Ein Arzt erklärt, woran es liegen könnte
Müdigkeit ist weit verbreitet. Für das Symptom lässt sich oft kein eindeutiger Auslöser feststellen. Nur sehr selten gibt es eine körperliche Ursache. Wann ist der Gang zum Hausarzt sinnvoll?
Herr Dr. Mühlenfeld, Sie arbeiten als Hausarzt in einer Praxis in Bremen. Wie viele Patienten kommen in der Woche zu Ihnen und klagen über Müdigkeit?
Das passiert in der Tat recht häufig. Ich schätze, dass in der Woche ungefähr zwei Patienten mit diesem Symptom zu mir kommen.
Woran liegt das?
Müdigkeit ist weit verbreitet und einige Patienten fürchten, dass eine bedeutsame Krankheit hinter den Beschwerden stecken könnte. In den allermeisten Fällen kann ich aber Entwarnung geben. Dennoch muss ich als Hausarzt nach möglichen Ursachen forschen.
Müdigkeit ist ein unspezifisches Symptom, anders als etwa Halsschmerzen. Wie gehen Sie als Arzt da vor?
Als Hausarzt habe ich den Vorteil, dass ich meine Patienten gut kenne. Ich weiß über die Lebensumstände Bescheid, mögliche Probleme am Arbeitsplatz, die familiäre Situation. Das Lebensumfeld ist ein wichtiger Punkt bei der Spurensuche. Alleinerziehende, berufstätige Eltern kommen oft nicht zur Ruhe, können schlecht abschalten und leiden eher unter Schlafmangel. Das kann eine Ursache für Müdigkeit sein.
Nun sind aber nicht alle erschöpften Menschen alleinerziehend.
Das ist richtig. Das Fragenstellen ist daher wichtig: Fühlt sich der Patient nicht nur müde, sondern auch antriebslos? Ist er oder sie lustlos, trifft sich nicht mehr mit Freunden, zieht sich zurück? Dann können das Hinweise auf eine depressive Episode sein. Im Anschluss untersuche ich den Patienten auch körperlich, prüfe Atmung und Pulsschlag. Ein dritter Schritt ist gegebenenfalls eine Laboruntersuchung. Ich ermittle beispielsweise den Blutzuckerspiegel und lasse ein Blutbild machen. Das liefert Hinweise auf mögliche Mangelzustände oder eine Schilddrüsenfunktionsstörung.
Welche Ursachen für Müdigkeit kommen noch infrage?
ür Müdigkeit lässt sich oft keine körperliche Ursache finden. Bedeutsame körperliche Krankheiten sind selten. Die meisten Patienten kann ich daher beruhigen und Strategien aufzeigen, die sie aus der Müdigkeit führen. Dennoch muss ich als Arzt nach möglichen seltenen Auslösern suchen. Ursachen für Müdigkeit können etwa ein extrem langsamer Herzschlag, Blutarmut, Diabetes, Schilddrüsenprobleme oder das Schlaf-Apnoe-Syndrom sein. Hinzu kommen psychische Belastungen, etwa ständiger Stress auf der Arbeit oder eine Angststörung. Auch Medikamente können müde machen, ebenso wie übermäßiger Alkoholkonsum.
Wann sollten müde Patienten zum Arzt gehen?
Immer dann, wenn das Symptom länger als drei bis vier Wochen besteht und den Patienten in seinem Alltag beeinträchtigt.
Müde und erschöpfte Menschen bekommen oft den gut gemeinten Rat zu hören, sie sollen doch einfach mehr schlafen. Ist es wirklich so leicht?
Es gibt Menschen, denen ist mit mehr Schlaf tatsächlich geholfen. Allerdings gilt das nur für einen Bruchteil der Patienten - bei 100 Patienten schätzungsweise für zwei oder drei. Für alle anderen ist der Rat nicht hilfreich.
Wer müde ist, trinkt oft Kaffee. Wenn die erste Tasse nicht hilft, gibt es eben noch eine zweite. Ist das sinnvoll?
Mit Kaffee verhält es sich ähnlich wie mit Kopfschmerztabletten: Schmerzt der Kopf, ist eine Tablette in bestimmten Situationen sinnvoll – aber nicht ständig. Viel wichtiger, als das Symptom zu kaschieren, ist es, die Ursache der Müdigkeit zu identifizieren und zu bekämpfen.
Wie sieht es mit Nahrungsergänzungsmitteln aus? Viele Hersteller werben mit der leistungssteigernden Wirkung bestimmter Vitamine und Mineralstoffe.
Müdigkeit lässt sich nur extrem selten auf Mangelzustände zurückführen, und wenn, wäre das im Blutbild klar zu erkennen. Nahrungsergänzungsmittel auf Verdacht einzunehmen, halte ich persönlich für nicht sinnvoll. Wer sich ausgewogen ernährt, ist in der Regel mit allem versorgt, was der Körper braucht.
Wie sieht ein Lebenswandel aus, der Müdigkeit vorbeugt?
Das fängt bei der Ernährung an: kleine Portionen essen, wenig Fleisch verzehren, dafür eher Fisch essen, viel frisches Obst und Gemüse. Dazu ausreichend Sport machen, sich genug Ruhe gönnen und seinen Körper nicht unnötig mit Giften wie Alkohol und Zigaretten belasten. Manchmal lohnt auch ein Blick auf die Medikation: Einige Präparate, alleine oder kombiniert, können Müdigkeit begünstigen. Dann lässt sich das Problem schnell aus der Welt schaffen.
stern.de
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