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Von der Widerstandskraft der Psyche

Veröffentlicht am 29.12.2017 • Von Giovanni Mària

Von der Widerstandskraft der Psyche

Von der Widerstandskraft der Psyche

Rumänische Waisenkinder, Bergretter, Feuerwehrleute – was zeichnet Menschen aus, die traumatische Erlebnisse besser überwinden als andere?

An die Torturen, die er als Kleinkind in einem rumänischen Waisenhaus erleben musste, kann sich John Andrews nicht mehr erinnern. So richtig, sagt er, setze sein Gedächtnis erst nach dem vierten Lebensjahr ein. Da lebte er nach einer Adoption schon längst in London. Andere britische Adoptiveltern schilderten dem Sender BBC einmal, welche Zustände sie in Rumänen mitansehen mussten: „Die Fensterscheiben waren zerbrochen. Fliegen umschwirrten die Kinder. Die Hygiene beschränkte sich darauf, dass man alle gelegentlich mit kaltem Wasser abspritzte.“ Manche Jungen und Mädchen mussten sich selbst aus Fläschchen füttern. „Die wurden einfach sich selbst überlassen“, erzählt Robert Kumsta, der als Leiter der Abteilung für Genetische Psychologie an der Universität Bochum sein Berufsleben Fällen wie John Andrews widmet.

Achtzehn Monate hat Andrews das überstanden, achtzehn Monate ohne Spielzeug, ohne Ansprache, ohne Zuwendung. Heute ist er 27, hat erfolgreich erst die Schule und dann die Universität absolviert und verdient inzwischen gut als Veranstaltungsmanager. Psychische Probleme? Kennt er nicht. „Ich neige dazu, zu sagen, dass ich so etwas nicht habe.“

So viel Glück hatten nicht alle Kinder, die das Ceauşescu-Regime in Waisenhäuser gepfercht hatte. Als der eiserne Vorhang fiel, machten erschütternde Bilder die Runde. Auf ihnen waren verdreckte Kinder zu sehen, die nicht sprachen, nicht auf Menschen reagierten, die mit zwei, drei Jahren oft nicht einmal sitzen konnten. Es gab im Westen viele, die durch eine Adoption helfen wollten. Auch in Großbritannien. Aber würde das gutgehen? Die britischen Behörden hatten Zweifel und beauftragten den Kinderpsychiater Michael Rutter, den Beteiligten zur Seite zu stehen.

Rutter sah das als eine Art natürliches Experiment und beschloss, es wissenschaftlich zu begleiten. Viermal, im Alter von vier, sechs, elf und fünfzehn Jahren, wurden die Kinder bisher untersucht und wie ihre Adoptiveltern umfassend befragt. In diesem Jahr, 25 Jahre nach Beginn des Projekts, haben die Wissenschaftler nun die Ergebnisse einer weiteren Evaluation vorgestellt und bestätigen eine traurige Erkenntnis: Die meisten Kinder, die mehr als ein halbes Jahr im Heim verbracht hatten, konnten den Horror auch als junge Erwachsene nicht hinter sich lassen. Viele leben in sich zurückgezogen, können die Signale anderer Menschen kaum interpretieren, manche verhalten sich wie Autisten. In einigen Fällen traten mit der Pubertät Angststörungen oder Symptome einer Depression auf. Wieder andere konnten sich bereits in der Kindheit schlecht konzentrieren und erinnern mit ihrer Sprunghaftigkeit und Fahrigkeit an Menschen mit dem Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom ADHS.

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faz.net

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Autor: Giovanni Mària, International Traffic Manager

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