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Wenn Zucker auf die Nerven geht
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Dass es bei Zucker zu solchen Sexualstörungen kommen kann, war mir neu.
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Wenn Zucker auf die Nerven geht
Von Brigitte M. Gensthaler, München / Diabetes kann die Nerven schädigen. Die Folgen an Händen und Füßen sind bekannt. Weniger im Fokus stehen Schädigungen des autonomen Nervensystems. Diese bleiben meist lange unentdeckt, können aber massive Beschwerden auslösen.
Neben Veränderungen an den Blutgefäßen gehören Nervenschäden zu den schwerwiegendsten Folgen zu hoher Blutzuckerspiegel. Sie treten vor allem bei langer Diabetesdauer und schlechter Stoffwechselkontrolle auf. Schäden an peripheren Nerven äußern sich oft mit quälenden Schmerzen und Missempfindungen in Füßen und Beinen. Eine gefürchtete Folge ist das diabetische Fußsyndrom.
Weit weniger bekannt als die periphere oder sensomotorische Neuropathie sind Schäden an parasympathischen und sympathischen Nerven. Diese autonome Neuropathie (ANP) kann nahezu alle Organe betreffen, löst aber zunächst recht unspezifische Symptome aus (siehe Tabelle). Welche Bedeutung eine ANP am Gastrointestinal- und am Urogenitaltrakt sowie am Herzen hat, erklärten Experten bei der Tagung »Diabetologie grenzenlos« Mitte Februar in München-Unterhaching.
Vielfältige Störungen an Magen und Darm
Obstipation, Diarrhö, Blähungen und Übelkeit: So unterschiedlich kann sich eine ANP im Gastrointestinaltrakt zeigen. »Wenn Diabetes-Patienten über solche Beschwerden klagen, muss dies abgeklärt werden«, betonte Dr. Felix Gundling von der Klinik für Gastroenterologie am Klinikum Bogenhausen in München. Erkrankungen wie Zöliakie, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, bakterieller Überwuchs im Darm und Malignome, aber auch Arzneimittelnebenwirkungen müssten als Ursachen ausgeschlossen werden.
Relativ häufig ist das Krankheitsbild der Gastroparese, bei der die Magenentleerung verzögert ist, ohne dass eine mechanische Obstruktion vorliegt. Feste Nahrung bleibe bei den Patienten zum Teil doppelt so lange im Magen liegen wie bei Stoffwechselgesunden, erklärte der Gastroenterologe. Typische Symptome sind frühe Sättigung, Würgereiz und Erbrechen, vor allem nach dem Essen, Übelkeit und Oberbauchschmerzen. Es kann auch zu postprandialen Hypoglykämien unter antidiabetischer Therapie kommen, weil die Kohlenhydrate aus der Nahrung zu langsam resorbiert werden.
Nach Studiendaten sind etwa 29 Prozent der Gastroparesen diabetesbedingt. Bei mehr als zehnjähriger Diabetesdauer seien 5,2 Prozent der Typ-1- und 1 Prozent der Typ-2-Patienten betroffen. Patienten mit Gastroparese hätten eine signifikant höhere Mortalität als Diabetiker ohne dieses Magenproblem, sagte Gundling.
Als Erstmaßnahme empfahl der Arzt eine Ernährungsanpassung: viele kleine Mahlzeiten mit wenig Fett und Ballaststoffen, eher pürierte als feste Nahrung sowie Verzicht auf Alkohol, Nicotin und Kohlensäure-haltige Getränke. Dringend zu empfehlen sei eine normnahe Stoffwechseleinstellung. Medikamentös werden befristet Prokinetika wie Metoclopramid oder Domperidon oder der Serotonin-(5HT4)-Rezeptoragonist Prucaloprid eingesetzt. Allerdings gehe der Trend weg von der prokinetischen Therapie bei Gastroparese-Patienten, informierte Gundling. Heute werden symptomorientiert auch Antiemetika und Analgetika bis hin zu Opioiden eingesetzt. In sehr schweren Fällen könne man einen »Magen-Schrittmacher« (gastrale Elektrostimulation) implantieren.
Vielfältig und wenig spezifisch sind auch die Symptome einer Refluxerkrankung infolge einer diabetischen ANP. Die Patienten klagen zum Beispiel über Sodbrennen, Heiserkeit, Hals- und Kehlkopfentzündung, Schluckstörungen oder Brustschmerzen, die nicht vom Herzen kommen. Auch die Zähne leiden unter dem ständigen Säureangriff. Solche Beschwerden sollten gastroskopisch abgeklärt werden. Der Arzt empfahl eine Gewichtsreduktion und den Verzicht auf Spätmahlzeiten sowie – wenn nötig – die Gabe von Protonenpumpenblockern (PPI). Motilitätsstörungen im Dünn- und Dickdarm können sich zum Beispiel als Obstipation oder Diarrhö äußern; behandelt wird symptomatisch.
Von der hyperaktiven zur atonen Blase
Ein ganzes Bündel von Beschwerden kann die autonome Neuropathie im Urogenitaltrakt auslösen. Dies sei ein häufiges Problem bei Patienten mit langer Diabetesdauer, informierte Professor Dr. David Schilling, Klinik für Urologie am Isarklinikum in München. Dabei überlagern sich Speicher- und Entleerungsstörungen der Harnblase.
Erektile Dysfunktion
Eine häufige und stark belastende Komplikation bei Männern mit Diabetes ist die erektile Dysfunktion (ED). Sie beginnt etwa zehn bis zwölf Jahre nach Krankheitsbeginn. »Das ist sehr früh, wenn man an Männer mit Typ-1-Diabetes denkt«, sagte Professor Dr. David Schilling. Eine ED kann auch ein Frühzeichen für Diabetes oder eine koronare Herzkrankheit sein. Therapie der Wahl sind PDE-5-Hemmer, die auch bei Diabetes-Patienten sehr gut wirken, sagte der Urologe. Mitunter sei Tadalafil vorteilhaft aufgrund der langen Halbwertszeit. In der 5-mg-Dosierung ist es beim benignen Prostatasyndrom zugelassen. Dann nimmt der Mann die Tablette nicht bei Bedarf, sondern einmal täglich ein. Die Schwellkörper-Autoinjektionstherapie mit Alprostadil ist nach Schillings Erfahrung bei Männern wenig beliebt und birgt die Gefahr einer Dauererektion (Priapismus). Nur noch sehr selten würden Schwellkörperprothesen implantiert.
Bei Männern dominieren Beschwerden wie Dysurie, Harndrang sowie retrograde Ejakulation (Samenerguss in die Harnblase) und erektile Dysfunktion. Bei Frauen kommt es zu neurogenen Blasenentleerungsstörungen, hyperaktiver Blase, Schmerzen beim Geschlechtsverkehr, einer klitoralen Dysfunktion und vaginalen Hyposensitivität. Erschwerende Faktoren sind obstruktive Prostata-Hyperplasie beim Mann sowie Beckenboden-Insuffizienz bei der Frau.
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