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Freispruch für

Veröffentlicht am 27.10.2016 • Von Giovanni Mària

Freispruch für

Freispruch für "Patient Null" Wie Aids wirklich in die USA kam

Der Steward Gaétan Dugas galt jahrelang als der Mann, der als Erster das HI-Virus in den USA verbreitet hat. Jetzt haben Wissenschaftler nachgeforscht - und ein tragisches Missverständnis aufgedeckt

Gaétan Dugas wurde lange dämonisiert. Der Steward bei Air Canada ging als "Patient Null" in die Geschichte der Immunschwächekrankheit Aids ein - er soll der Erste gewesen sein, der das Virus in den USA verbreitet hat. Doch Dugas, der 1984 an dem Virus starb, erlangte seinen Status zu Unrecht und auf tragische Weise aufgrund eines Missverständnisses.

Das zeigt nun einmal mehr eine Studie von Forschern um Michael Worobey von der University of Arizona in Tucson. Darin haben die Forscher die Verbreitungsgeschichte des HI-Virus in den USA rekonstruiert. Demnach ist das Virus um 1970 nach New York gekommen, schreiben sie im Magazin "Nature".

Für die Krankheitsgeschichte war der Eintritt in die USA ein Wendepunkt. Denn von dort konnte sich die Epidemie, die bereits ein halbes Jahrhundert früher in Afrika begonnen hatte, rapide weiterverbreiten.

Aus Afrika über Haiti in die USA

Die Forscher untersuchten mehr als 2000 Blutproben, die Ende der Siebzigerjahre im Rahmen von Hepatitis-B-Studien in New York und San Francisco gesammelt wurden. Spender waren Männer, die Sexualkontakte mit Männern hatten.

Die Analysen ergaben, dass schon damals - also 1978 bis 1979 - in New York 6,6 Prozent und in San Francisco 3,7 Prozent der Proben Antikörper gegen die HIV-Variante enthielten, die heute weit verbreitet ist. Aus insgesamt acht dieser Proben rekonstruierten die Forscher das Erbgut der damaligen HIV-Erreger.

Demnach stammten diese wahrscheinlich von Virusvarianten in der Karibik ab. Schon vorher war vermutet worden, dass das Virus von Afrika aus über Haiti in die USA gelangte. Die neue Studie erhärtet diesen Verdacht.

Verdopplung alle zehn Monate

Anhand der Mutationsraten berechnen die Forscher, dass ein Vorläufer des Virustyps um 1967 (1963 bis 1970) in der Karibik zirkulierte. Demnach erreichte HIV die USA etwa 1971 (1969 bis 1973). Dort verdoppelte sich die Zahl der Infizierten den Berechnungen zufolge anfangs etwa alle zehn Monate.

Etwa 1976 erreichte das Virus demnach San Francisco. Um 1977 hatte die Zahl der Infizierten in den USA die in der Karibik, wo HIV deutlich früher ankam, bereits überholt. Erstmals beschrieben wurde die Immunschwächekrankheit Aids 1981 in den USA, zwei Jahre später wurde HIV als Ursache identifiziert.

Gaétan Dugas war nicht "Patient Null"

"In New York City traf das Virus auf eine Population, die wie trockener Zunder wirkte", erklärt Forscher Worobey. "Das sorgte dafür, dass sich so viele Menschen infizierten, dass die Welt zum ersten Mal darauf aufmerksam wurde."

Zudem rehabilitiert die Studie den angeblichen "Patient Null", Gaétan Dugas . Die Rekonstruktion des bei ihm gefundenen HIV-Genoms zeigt, dass er nicht zu den ersten Infizierten gehörte.

"Gaétan Dugas ist einer der am meisten dämonisierten Patienten der Geschichte", sagt Co-Autor Richard McKay von der University of Cambridge. Dugas sei einer von mehreren Menschen und Gruppen gewesen, die aus dem Glauben heraus verleumdet wurden, dass sie die Epidemie in böser Absicht befeuert hätten.

"Zentrale in einem sexuellen Netzwerk"

Stattdessen beruht die frühere Darstellung auf einem Missverständnis: Nach Bekanntwerden von Aids untersuchten Mitarbeiter der US-Behörde CDC auf der Suche nach der Herkunft eine Gruppe homosexueller Männer. Im Zentrum dieses Netzwerks stand der Flugbegleiter - auch weil er den Behörden half und Auskunft über seine vielen Sexualkontakte gab.

"Die Tatsache, dass Dugas die meisten Namen beisteuerte und selbst einen einprägsamen Namen hatte, trug vermutlich dazu bei, dass er als zentral in diesem sexuellen Netzwerk galt", erläutert der Historiker McKay.

Die Behörde listete ihn als Nummer 057, aber auch als "Patient O", wobei der Großbuchstabe für das Wort "Outside" stand, weil Dugas nicht aus Kalifornien kam. Später wurde aus dem Buchstaben O versehentlich die Ziffer 0. Verbreitet wurde diese Darstellung dann durch ein 1987 veröffentlichtes Buch des Journalisten Randy Shilts, das in etliche Sprachen übersetzt und sogar verfilmt wurde ("AIDS. And the band played on. Die Geschichte eines großen Versagens").

Ursprung im Affen

"Das ist die bislang detaillierteste Studie zur frühen Ausbreitung von HIV in Nordamerika", sagt Frank Kirchhoff von der Universitätsklinik Ulm, der nicht an der Arbeit beteiligt war. Die Analyse zeige, wie schnell sich das Virus in den USA verbreitet habe, sagt der Molekularvirologe. Letztlich gebe es aber noch viele Lücken und Unsicherheiten bezüglich des genauen Ursprungs von HIV und der Dynamik der anfänglichen Ausbreitung.

Die Geschichte des HI-Virus vor seiner Ankunft in Nordamerika hatten Forscher schon früher rekonstruiert: Demnach wurden Varianten des SI-Virus (Simian Immunodeficiency Virus), der bei Affen vorkommenden Form, vermutlich im frühen 20. Jahrhundert mehrmals auf Menschen übertragen.

Die weltweit verbreitetste Variante des Virus - HIV-1 M - entstand wahrscheinlich um das Jahr 1920 in Kinshasa und breitete sich in den ersten Jahrzehnten nur langsam im Kongobecken aus. Erst ab den Sechzigerjahren gelangte der Erreger vom westlichen Zentralafrika in die Karibik und von dort nach Nordamerika.

Quelle: spiegel.de

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Autor: Giovanni Mària, International Traffic Manager

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2 Kommentare


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Abgemeldeter Nutzer
am 27.10.16

Freispruch für "Patient Null" Wie Aids wirklich in die USA kam

Der Steward Gaétan Dugas galt jahrelang als der Mann, der als Erster das HI-Virus in den USA verbreitet hat. Jetzt haben Wissenschaftler nachgeforscht - und ein tragisches Missverständnis aufgedeckt

Gaétan Dugas wurde lange dämonisiert. Der Steward bei Air Canada ging als "Patient Null" in die Geschichte der Immunschwächekrankheit Aids ein - er soll der Erste gewesen sein, der das Virus in den USA verbreitet hat. Doch Dugas, der 1984 an dem Virus starb, erlangte seinen Status zu Unrecht und auf tragische Weise aufgrund eines Missverständnisses.

Das zeigt nun einmal mehr eine Studie von Forschern um Michael Worobey von der University of Arizona in Tucson. Darin haben die Forscher die Verbreitungsgeschichte des HI-Virus in den USA rekonstruiert. Demnach ist das Virus um 1970 nach New York gekommen, schreiben sie im Magazin "Nature".

Für die Krankheitsgeschichte war der Eintritt in die USA ein Wendepunkt. Denn von dort konnte sich die Epidemie, die bereits ein halbes Jahrhundert früher in Afrika begonnen hatte, rapide weiterverbreiten.

Aus Afrika über Haiti in die USA

Die Forscher untersuchten mehr als 2000 Blutproben, die Ende der Siebzigerjahre im Rahmen von Hepatitis-B-Studien in New York und San Francisco gesammelt wurden. Spender waren Männer, die Sexualkontakte mit Männern hatten.

Die Analysen ergaben, dass schon damals - also 1978 bis 1979 - in New York 6,6 Prozent und in San Francisco 3,7 Prozent der Proben Antikörper gegen die HIV-Variante enthielten, die heute weit verbreitet ist. Aus insgesamt acht dieser Proben rekonstruierten die Forscher das Erbgut der damaligen HIV-Erreger.

Demnach stammten diese wahrscheinlich von Virusvarianten in der Karibik ab. Schon vorher war vermutet worden, dass das Virus von Afrika aus über Haiti in die USA gelangte. Die neue Studie erhärtet diesen Verdacht.

Verdopplung alle zehn Monate

Anhand der Mutationsraten berechnen die Forscher, dass ein Vorläufer des Virustyps um 1967 (1963 bis 1970) in der Karibik zirkulierte. Demnach erreichte HIV die USA etwa 1971 (1969 bis 1973). Dort verdoppelte sich die Zahl der Infizierten den Berechnungen zufolge anfangs etwa alle zehn Monate.

Etwa 1976 erreichte das Virus demnach San Francisco. Um 1977 hatte die Zahl der Infizierten in den USA die in der Karibik, wo HIV deutlich früher ankam, bereits überholt. Erstmals beschrieben wurde die Immunschwächekrankheit Aids 1981 in den USA, zwei Jahre später wurde HIV als Ursache identifiziert.

Gaétan Dugas war nicht "Patient Null"

"In New York City traf das Virus auf eine Population, die wie trockener Zunder wirkte", erklärt Forscher Worobey. "Das sorgte dafür, dass sich so viele Menschen infizierten, dass die Welt zum ersten Mal darauf aufmerksam wurde."

Zudem rehabilitiert die Studie den angeblichen "Patient Null", Gaétan Dugas . Die Rekonstruktion des bei ihm gefundenen HIV-Genoms zeigt, dass er nicht zu den ersten Infizierten gehörte.

"Gaétan Dugas ist einer der am meisten dämonisierten Patienten der Geschichte", sagt Co-Autor Richard McKay von der University of Cambridge. Dugas sei einer von mehreren Menschen und Gruppen gewesen, die aus dem Glauben heraus verleumdet wurden, dass sie die Epidemie in böser Absicht befeuert hätten.

"Zentrale in einem sexuellen Netzwerk"

Stattdessen beruht die frühere Darstellung auf einem Missverständnis: Nach Bekanntwerden von Aids untersuchten Mitarbeiter der US-Behörde CDC auf der Suche nach der Herkunft eine Gruppe homosexueller Männer. Im Zentrum dieses Netzwerks stand der Flugbegleiter - auch weil er den Behörden half und Auskunft über seine vielen Sexualkontakte gab.

"Die Tatsache, dass Dugas die meisten Namen beisteuerte und selbst einen einprägsamen Namen hatte, trug vermutlich dazu bei, dass er als zentral in diesem sexuellen Netzwerk galt", erläutert der Historiker McKay.

Die Behörde listete ihn als Nummer 057, aber auch als "Patient O", wobei der Großbuchstabe für das Wort "Outside" stand, weil Dugas nicht aus Kalifornien kam. Später wurde aus dem Buchstaben O versehentlich die Ziffer 0. Verbreitet wurde diese Darstellung dann durch ein 1987 veröffentlichtes Buch des Journalisten Randy Shilts, das in etliche Sprachen übersetzt und sogar verfilmt wurde ("AIDS. And the band played on. Die Geschichte eines großen Versagens").

Ursprung im Affen

"Das ist die bislang detaillierteste Studie zur frühen Ausbreitung von HIV in Nordamerika", sagt Frank Kirchhoff von der Universitätsklinik Ulm, der nicht an der Arbeit beteiligt war. Die Analyse zeige, wie schnell sich das Virus in den USA verbreitet habe, sagt der Molekularvirologe. Letztlich gebe es aber noch viele Lücken und Unsicherheiten bezüglich des genauen Ursprungs von HIV und der Dynamik der anfänglichen Ausbreitung.

Die Geschichte des HI-Virus vor seiner Ankunft in Nordamerika hatten Forscher schon früher rekonstruiert: Demnach wurden Varianten des SI-Virus (Simian Immunodeficiency Virus), der bei Affen vorkommenden Form, vermutlich im frühen 20. Jahrhundert mehrmals auf Menschen übertragen.

Die weltweit verbreitetste Variante des Virus - HIV-1 M - entstand wahrscheinlich um das Jahr 1920 in Kinshasa und breitete sich in den ersten Jahrzehnten nur langsam im Kongobecken aus. Erst ab den Sechzigerjahren gelangte der Erreger vom westlichen Zentralafrika in die Karibik und von dort nach Nordamerika.

Quelle: spiegel.de


koechli2606
am 28.10.16

Hi @Andrea ,

hier eine kleine Erweiterung deines Artikels:

http://www.aerztezeitung.de/medizin/krankheiten/infektionskrankheiten/aids/article/922477/patient-null-kanadischer-steward-schleppte-aids-nicht-usa.html?cm_mmc=Newsletter-_-Newsletter-O-_-20161028-_-AIDS+%2f+HIV

Ärzte Zeitung, 28.10.2016

"Patient Null" nicht Allein-Schuldiger an AIDS in USA

Jahrzehnte galt ein Flugbegleiter als Sündenbock: Er sollte den HI-Virus in die USA getragen haben. Jetzt steht fest: Ein Schreibfehler war Schuld.

Schreibfehler: Der berühmte "Patient Null" war nicht der Erste, der AIDS in die USA brachte.

© psdesign1 / fotolia.com

NEU-ISENBURG. Die Ziffer "0" statt des Buchstaben "O": Es ist ein Tippfehler, auf der einer der größten Mythen der jüngeren Medizingeschichte fußt. Das belegt nun eine im Wissenschaftsjournal "Nature" erschienene Studie.

In ihrem Mittelpunkt steht ein frankokanadischer Flugbegleiter. Jahrzehnte galt er als diejenige Person, die als erster Infizierter das HI-Virus in die USA gebracht hat.

Missverständnis im Seuchenministerium

Den Beginn einer nicht zuletzt medialen Brandmarkung kennzeichnet dabei der Tag im Jahr 1982, als ein Mitarbeiter der amerikanischen Seuchenschutzbehörde bei einer Abschrift aus seinen Unterlagen den Buchstaben "O" mit der Ziffer Null verwechselte.

Das "O" stand dabei lediglich für den Verweis "Outside of California", weil sich der Patient außerhalb des Landes aufgehalten hatte. Doch fortan tauchte er in der Literatur als "Patient Null" auf, also als "Indexpatient" am Anfang eines Ausbruchs.

Forscher um den Evolutionsbiologen Michael Worobey von der University of Arizona haben sich nun seiner Geschichte angenommen – und diese korrigiert.

2000 Serumproben analysiert

Nach einer Analyse von mehr als 2000 Serumproben, die zwischen 1978 und 1979 von amerikanischen Männern genommen worden waren, kommen sie zu dem Schluss: Der Flugbegleiter war damals bereits einer von Tausenden Infizierten; die ersten HI-Viren gelangten bereits früh in den 1970er-Jahren von den karibischen Inseln in die USA.

Die alten Virusgene bestätigen darüber hinaus die Hypothesen, nach denen der Erreger ursprünglich in den 1920er Jahren von Affen in Afrika auf Menschen übersprang und um 1967 herum die Karibik erreicht hatte.

Den Sprung von Haiti in die USA machte das Virus möglicherweise im Blut von heimkehrenden Sextouristen oder in verunreinigten Spenderblutchargen – nicht aber mit dem beschuldigten Flugbegleiter. (jk

koechli2606

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