Test: Wie viele fruchtbare Jahre bleiben noch?
Veröffentlicht am 08.12.2015 • Von Giovanni Mària
Umstrittener Test zum Kinderwunsch: Wie viele fruchtbare Jahre bleiben noch?
Wann ist der richtige Zeitpunkt für ein Baby? Frauen werden immer später Mutter, obwohl die Aussicht auf ein gesundes Kind mit dem Alter sinkt. Ein Test soll nun bestimmen, wie viele fruchtbare Jahre noch bleiben.
Die biologische Uhr, so schien es bisher, tickt nicht gerade kompliziert: Je älter eine Frau ist, desto unwahrscheinlicher wird es, dass sie noch Kinder bekommen kann. Das Alter, in dem es dafür für immer zu spät ist, unterscheidet sich trotzdem von Fall zu Fall. Ein neuer Test soll nun die individuelle Eierstockreserve bestimmen.
Viele Frauenärzte führen den Test durch, in der Regel kombinieren sie dazu zwei Methoden. Die eine ist der sogenannte Ovarscore. Dabei werden die Eierstöcke per Ultraschall untersucht und ihre Follikel - das sind winzige Bläschen, in denen Eizellen angelegt sind, die noch ausreifen können - werden gezählt. Zusätzlich wird der Spiegel des Anti-Müller-Hormons (AMH) bestimmt, das als weiterer Fruchtbarkeitsparameter gilt.
Birgit Wetzka ist Frauenärztin am Centrum für gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin Freiburg (CERF), das den Test anbietet. "Die Reserve der Eierstöcke lässt sich damit zuverlässig bestimmen", sagt sie. Die Fruchtbarkeit hänge aber von weiteren Faktoren ab, wie etwa dem Partner, dem Zustand der Eileiter und dem Verlauf des Zyklus. "Wie hoch die Aussagekraft in Bezug auf eine zukünftige Schwangerschaft ist, kann man daher schwer in Zahlen ausdrücken", sagt Wetzka. Sie gibt zu: Wenn das CERF den Test als "Bestimmung der Fruchtbarkeitsreserve" anbiete, sei das im Grunde die falsche Bezeichnung.
Entsprechend vorsichtig falle ihre Prognose nach dem Test aus. Wetzka kann ihren Patientinnen dann zum Beispiel nur sagen, dass sie "nach dem derzeitigen Wissensstand innerhalb der nächsten Jahre noch mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit schwanger werden können - oder eben nicht". Eine Vorhersage gelte je nach Einzelfall für ein bis zwei oder auch für bis zu fünf Jahre.
Das Alter senke die Fruchtbarkeit trotzdem weiter: Ab 35 beginne eine kritische Phase, mit 40 könne es bei einigen Frauen zu spät sein. "Daher sollten Patientinnen auch bei einem positiven Testergebnis nicht allzu lange warten", rät Wetzke. "Will eine Frau trotz schlechter Reserve erst später ein Kind, bieten wir an, Eizellen für sie einzufrieren."
Garantien gibt es nicht
Eindeutig kritisch steht Frauenärztin Annick Horn dem Testverfahren gegenüber, sie ist Expertin für Reproduktionsmedizin und am Kinderwunschzentrum Altonaer Straße in Hamburg tätig. "Um es drastisch zu sagen, ist das für mich Geldmacherei", sagt Horn. "Und das bei einer ganz geringen Aussagekraft." Sie bietet den Test nur an, wenn Frauen gezielt danach fragen, und selbst dann ungern: "Weil die Untersuchung mehr Fragen aufwirft, als sie beantwortet."
Noch dazu hat Horn die Erfahrung gemacht, dass der Test oft nicht verantwortungsvoll durchgeführt wird. Wichtig sei zum Beispiel eine zusätzliche Beratung, bei der der Menstruationsverlauf und die Familiengeschichte mit einbezogen werden: Wann kamen Mutter, Großmutter oder Schwester in die Menopause? Auch müsse der Spiegel des Anti-Müller-Hormons mehrfach bestimmt werden, weil er natürlicherweise schwanke. Und unter Einnahme der Pille sei er bei allen Frauen erniedrigt.
Zuletzt suchten zwei Schwestern, gerade einmal Anfang 20, Horns Sprechstunde auf. Beide waren in Panik: Andere Ärzte hatten ihnen Angst gemacht, weil ihre AMH-Werte - allerdings auch durch die Pille - erniedrigt waren. "In ihrer Verzweiflung wollten die ihr Studium abbrechen, um ein Kind zu bekommen", sagt Horn. Auch hatte man ihnen geraten, ihre Eizellen einzufrieren.
Hier beginnt aus Sicht der Frauenärztin die Geschäftemacherei. Während der Test der Eierstockreserve nämlich für um die 150 Euro zu haben ist, steige man beim Social Freezing mit etwa 3000 Euro ein. Eine Garantie, dass die spätere Befruchtung der Zellen gelingt, gibt es nicht. "Ich habe den beiden empfohlen, ihre Ausbildung abzuschließen und danach die Familienplanung ganz einfach etwas vorzuverlagern", sagt Horn. "Mein Eindruck ist, dass der Test kaum einer Frau nützt, dafür aber viele total verunsichert."
Andere wiederum könnten sich in falscher Sicherheit wiegen. Selbst wenn der Test zeige, dass weitere Eizellen reifen: "Über deren Qualität sagt das nichts aus. Die verschlechtert sich mit dem Alter, wodurch eine Schwangerschaft unwahrscheinlicher wird und sich das Risiko für Fehlbildungen erhöht", sagt die Expertin. "Jede Frau ab 35 mit grundsätzlichem Kinderwunsch würde ich daher motivieren, ihn anzugehen." Auch wenn es, etwa aus beruflichen Gründen, noch nicht zu 100 Prozent passe. Es sei besser, dem Wunsch zu folgen, anstatt auf den perfekten Zeitpunkt zu warten. Denn der kommt vielleicht nie.
Quelle: spiegel.de
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