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Lieder für die Lunge
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11.11.17 um 10:34
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Lieder für die Lunge
Menschen mit der Atemwegserkrankung COPD ringen häufig nach Luft. In einer Klinik in Oldenburg erleben sie Linderung: Mit lautem Singen.
Donnerstag ist der schönste Tag der Woche. Heidi Schwicht sehnt ihn jedes Mal herbei, denn da macht ihr Leben richtig Spaß. Um 15.15 Uhr verlässt sie die Wohnung, Stunden vor dem Ereignis. Sie steigt sehr langsam die Treppe hinunter, nimmt den Bus in die Innenstadt. Von der Haltestelle sind es 300 Meter bis zum Oldenburger Pius-Hospital. Auf halber Strecke steht eine Bank. Dort muss Heidi Schwicht immer eine Verschnaufpause einlegen. Es ist noch keine 16 Uhr, als sie die Klinik betritt – dabei geht es erst um 16.30 los. Die 66-Jährige kommt gern viel zu früh: Sie möchte noch Zeit zum Plaudern haben und sich einen guten Platz sichern.
"So ein Tag, so wunderschön wie heute ..." Einmal in der Woche lädt das Pius-Hospital Lungenkranke zum Singen ein. Sie treffen sich in der Krankenhauscafeteria – meist an die hundert Menschen. Chorpidus heißt die große Sängerschar. Der Name spielt auf die Abkürzung ihrer Krankheit an: Viele von ihnen leiden unter COPD. Das steht für chronisch obstruktive Lungenkrankheit, im Volksmund: Raucherlunge. Das Singen soll helfen, besser mit dem unheilbaren Leiden zu leben. Auf Heidi Schwicht wirkt es fast wie eine Therapie. Den Weg zurück zur Bushaltestelle wird sie ohne Zwischenstopp bewältigen. "Ich springe danach nicht wie ein junges Reh, aber es geht mir besser."
Die Frage, wie Menschen mit schweren Lungenkrankheiten vom Singen profitieren können, beschäftigt auch Wissenschaftler. Nicht nur in Oldenburg, wo das Hobby der Chorpidus-Sänger demnächst auf seine medizinische Wirkung untersucht werden soll, sondern etwa auch an der britischen Universität von Canterbury: Dort sangen 106 COPD-Patienten für eine Pilotstudie zehn Monate lang einmal pro Woche im Chor. Anschließend hatte sich ihre Lungenfunktion in einigen der Tests verbessert, vor allem aber fühlten sie sich wohler.
Kein Wunder, dass sich die Cafeteria im Oldenburger Hospital bereits um 16 Uhr mit Sängern füllt. Die Gäste stricken, lachen, blättern gut gelaunt in den Schnellheftern mit ihren Noten. Das Repertoire reicht von Hoch auf dem gelben Wagen bis Yellow Submarine. Bodentiefe Fenster geben den Blick auf die Veranda mit ein paar Rauchern frei, und es drängt sich der Gedanke auf, ob ihnen eines Tages ein ähnliches Schicksal droht wie den Menschen hier drinnen.
Unterdessen hängt Klaus-Dieter Gutwin vor der Probe noch ein Plakat auf. Er ist Gründer der Oldenburger COPD-Selbsthilfegruppe, zu der Heidi Schwicht irgendwann stieß. Nun singen beide auch im Chor – Gutwin, seine Frau und Schwicht sind Freunde geworden. Auf Gutwins Poster ist ein Mann zu sehen, der sich schweißüberströmt die Treppe hochschleppt. Es erklärt den Verlauf der Krankheit. Bei Heidi Schwicht wurde die COPD erst in der Spätphase diagnostiziert – als sie zusammenbrach und nach der Röntgenuntersuchung nicht einmal mehr aufstehen konnte.
Heute strahlt die Imbissverkäuferin heitere Gelassenheit und Warmherzigkeit aus: Sie habe gelernt, sich nicht unterkriegen zu lassen, sagt sie. Aufgewachsen ist sie im ostfriesischen Leer, ihre Mutter stammte aus Ostdeutschland: "Ich bin auf der Flucht entstanden." Als uneheliches Kind sei sie damals "immer blöd angeguckt" worden.
Später bekam sie einen Stiefvater, der verbot ihr jedoch, weiter zur Schule zu gehen. Sie musste im Betrieb helfen – die beiden Halbgeschwister hingegen machten Abitur. Ihre Ehe empfand Schwicht zunächst als Befreiung: Ihr Mann, ein Gitarrist, war zehn Jahre älter. Mit 20 bekam sie ihr erstes Kind. Mit 22, als Letzte im Freundeskreis, fing sie an zu rauchen, Reno, "diese blöden Pfefferminzzigaretten". Damals fand sie das gesellig und gemütlich.
Der Ehemann war viel unterwegs zu Auftritten, sie blieb allein zu Hause, inzwischen mit zwei Kindern. "Ich war eifersüchtig und fühlte mich eingesperrt", sagt sie. Die Zigaretten spendeten Trost. Erst recht, als die Ehe schließlich zerbrach. Heidi Schwicht hat ihre eigene Theorie zu ihrer Krankheit entwickelt: "COPD bekommt man nicht nur vom Rauchen. Es hat auch damit zu tun, wie schwer man sich durchs Leben kämpfen und die Zähne zusammenbeißen muss", glaubt sie.
Quelle: zeit.de